Engel mögen keine Lügen

Vom verborgenen Begehren erzählt die Oper „Angels in America“, aufgeführt in der UdK

Von Katrin Bettina Müller

Kann eine Komposition klingen wie ein zerklüftetes Gebirge? Mit tiefen Schluchten, steil abfallenden Wänden, spitzen Zacken? Der ungarische Komponist Péter Eötvös brachte 2004 seine Oper „Angels in America“ nach dem gleichnamigen, monumentalen Drama von Tony Kushner zur Uraufführung. In Berlin ist die Oper nun zum ersten Mal zu hören, und die Worte der Sänger scheinen von den Spitzen und Kanten der Musik in die Höhe gehoben und in den Raum geschleudert.

Aufgeführt wird die Oper, die von an Aids leidenden Männern und von einem bigotten Amerika erzählt, das aus der Krankheit eine Seuche und ein Menetekel für den nahen Weltuntergang macht, von Studierenden der Universität der Künste. Péter Eötvös saß übrigens im Publikum und kam am Ende erfreut mit auf die Bühne. Dass diese Profis alle ziemlich jung und anziehend sind, macht einen zusätzlichen Reiz der Aufführung aus. Passt aber auch gut zu den Geschichten von Prior, der mit noch nicht mal dreißig Jahren seinen Tod kommen sieht und in einer Traumszene trauert um all die Divenposen, die er nicht mehr wird einnehmen können. Oder zu der vom jungen Juristen Joseph, der sich seine Homosexualität nicht eingestehen mag, die Nächte aber im Central Park verbringt. Und zu der seiner völlig verunsicherten Frau Harper, die verzweifelt daran, dass ihre vermeintliche Realität ein Lügengewebe ist.

Die Geschichten sind komplex, das Libretto ist spannend und voller ironischer Spitzen, die die Regisseurin Isabel Hindersin von den Darstellenden treffsicher auf die Bühne bringen lässt. Eine Figur ist eine Karikatur auf einen Donald Trump nahe stehenden Anwalt, Roy Cohn, der nicht mit der Konstruktion alternativer Fakten geizt, um sein Schwulsein zu verleugnen und seine Macht zu erhalten. Selbst die Engel verzweifeln über dieser Welt, auch sie fühlen sich von Gott verlassen und versuchen den kranken Prior zum Propheten des Weltuntergangs zu machen. Wie er das verweigert, in spitzzüngigen Wortgefechten mit einer aufgetakelten Engelsdiva, von der er sich eigentlich Trost erhoffte, ist ein Höhepunkt in dieser ergreifenden Melange aus Trauer und Witz.

Gleich in zwei Besetzungen wird „Angels in America“ an der UdK aufgeführt, schließlich ist dies auch eine Übung. Sowohl für die Sänger wie für das Symphonieorchester der UdK, das von Christian Schumann geleitet wird, ist dies eine große Herausforderung, die mit Dissonanzen gespickte Musik verlässt sich nirgendwo auf Konventionen oder eingängige MelodiebBögen. Worte und Töne müssen passgenau zusammenrutschen, was gut gelang.

Wieder im Uni.T, Theater der UdK, 29. + 30. Juni, 19.30 Uhr