Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Vor hundert Jahren, da brach die Welt, wie sie die Menschen bis dahin gekannt hatten, zusammen. Der Erste Weltkrieg war aus, in dessen Folge mächtige Kaiserreiche wie Russland, Österreich-Ungarn und Deutschland zusammenbrachen. Die Russische Revolution etablierte ein neues System und es sollte daraus eine Weltrevolution werden. Doch 1919 kam diese Revolution in Deutschland zu ihrem Ende. In Weimar wurde – weil in Berlin wegen der Revolution die Sicherheit der Abgeordneten nicht garantiert werden konnte – die erste deutsche Republik gegründet: im Nationaltheater der Stadt von Goethe und Schiller. Im Gebäude gegenüber gründete u. a. Walter Gropius mit dem Bauhaus die einflussreichste Ausbildungsstätte für Kunst, Architektur und Design des 20. Jahrhunderts. Denn die neue Zeit und der neue Mensch (den man sich erhoffte) brauchte aus Sicht der Zeitgenoss*innen auch eine neue Kunst, ein neues Bauen und neues Design. Dies alles ist, wie gesagt, inzwischen hundert Jahre her. Viele Verwerfungen sind darüber hinweggezogen. In der Volksbühne schickt sich der Sänger, Dichter und Regisseur Schorsch Kamerun nun an, das Bauhaus noch einmal zu besichtigen und zu besingen. In einem Requiem, das antritt, die alte Idee vor ihren Verfremdern und Vermarktern, ihren Entfermdern und Neoliberalisierern zu retten – auch vor dem Hintergrund, dass die neue Welt, die sich damals aus dem Trümmern der alten erhob, gerade im Begriff ist, wieder zu zerfallen. „Das Bauhaus – Ein rettendes Requiem“ ist der Abend überschrieben, der am 20. 6. uraufgeführt wird. (Volksbühne: „Das Bauhaus – Ein rettendes Requiem“, Premiere 20. 6., 19.30 Uhr).
Ein neues Kapitel der Weltgeschichte begann auch, als der Titan Prometheus dem mächtigsten aller Götter, Zeus, das Feuer stahl und es den Menschen brachte. Damit hatte er sie ermächtigt, selbst zu Schöpfern und Gestaltern zu werden. Zur Strafe wurde Prometheus, wie wir wissen, an einen Felsen geschmiedet, wo ein Adler an seiner (immer wieder nachwachsenden) Leber fraß, bis der große Herakles ihn endlich erlöste.
In der Schaubühne hat sich der Schauspieler Bastian Reiber, unter anderem als rasender Komödienspieler in Inszenierungen von Herbert Fritsch bekannt geworden, nun des Stoffes angenommen. In seinem Regiedebüt „Prometheus“ liest er die alte Geschichte als Geschichte der Auflehnung gegen die Götter neu. Und Auflehnung ist für ihn das Wesen der Komik. Ein Widerspruch gegen die, die Sinn stiften wollen, wo es keinen Sinn gibt. (Schaubühne: „Prometheus“, Premiere 20. 6., 19.30 Uhr).
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