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Das Land der Deiche

Am 1. Februar ereignete sich eine der schlimmsten Naturkatastrophen der niederländischen Geschichte: die Kombination aus einem schweren Nordwest-Sturm über der Nordsee und Springflut ließ den Wasserstand entlang der Küste auf bis zu viereinhalb Meter über Normalnull ansteigen. Vor allem die südwestlichen Provinzen, Seeland, Süd-Holland und Nord-Brabant, wo 150 Deiche brachen, waren betroffen. Insgesamt forderte die Überflutung 1.836 Todesopfer.

Die Ausmaße der Katastrophe waren enorm: Die überschwemmte Fläche betrug 150.000 Hektar, weit mehr als 4.000 Häuser und Gebäude wurden zerstört, 43.000 beschädigt. Mehr als 72.000 Menschen mussten evakuiert werden. Der Gesamtschaden betrug anderthalb Milliarden Gulden, was heute rund 5,4 Milliarden Euro entspräche. Finanzen waren im Übrigen auch einer der Gründe für den schlechten Zustand der Deiche: Nach der Befreiung 1945 hatte die Behebung der Kriegsschäden Vorrang.

In der Folge änderten sich diese Prioritäten: 1954 begann man mit der Errichtung der „Delta-Werke“, insgesamt 13 Sperrwerke, welche die am schwersten getroffene Region künftig schützen sollen. Erst 1997 wurde der Bau vollendet. Insgesamt verfügen die Niederlande über fast 1.500 Schutzvorrichtungen, also Deiche, Dämme, Pumpwerke, Schleusen etc. Allein die Gesamtlänge der Deiche beträgt 17.691 Kilometer.

Laut Rijkswaterstaat, der Infrastruktur- und Wasserbehörde, sind 60 Prozent des Landes anfällig für Überflutungen. In diesem Gebiet wohnen neun Millionen Menschen.

Nicht zuletzt durch den Klimawandel, den erwarteten Anstieg des Meeresspiegels sowie extremere und längere Regenfälle hat man die Anstrengungen zum Küstenschutz in den letzten Jahren intensiviert. 2011 wurde zu diesem Zweck ein „Delta-Gesetz“ verabschiedet, die Basis des jährlichen „Delta-Programms“. Finanziert wird das Ganze aus einem Fonds, der jedes Jahr 1,25 Milliarden Euro bereithält. Dazu zählen auch besondere Hochwasserschutzprogramme in Zusammenarbeit mit den regionalen Wasser-Verwaltungen.

2017 wurden die Sicherheitsnormen für Deiche, Dämme und Dünen, die noch aus den 1960ern stammten, erhöht. Bis 2050 wird die gesamte Verteidigungslinie gegen das Wasser daraufhin überprüft und gegebenenfalls angepasst. In Broschüren und im Internet taucht immer wieder ein Satz auf, der das Credo des niederländischen Hochwasserschutzes bildet: „Die Arbeit ist nie abgeschlossen.“ Tobias Müller

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