berliner szenen
: So sieht seine Zukunft aus

Ich sage meiner Freundin, sie soll gucken gehen und mir danach darüber erzählen. Einen toten Menschen möchte ich gerade nicht sehen. Auch wenn er aus Wachs ist und extra für „48 Stunden Neukölln“ modelliert wurde. Der Künstler machte sich selbst bis zum letzten Detail nach und wickelte sich dann in ein orangefarbenes Gewand ein. Der Körper liegt auf einem Bett aus Holzstämmen, das in Brand gesetzt auf einem Fluss schwimmen könnte.

Aus der Entfernung beobachte ich die Gesichter derjenigen, die den Mann beobachten. Manche wirken amüsiert, andere entsetzt, andere fotografieren mit dem Handy. Viele studieren das Werk „Goa“ von ganz nah, als würden sie entdecken wollen, ob es sich um eine Skulptur oder doch um eine Person handelt. Sie wollen die kleinste Bewegung erwischen, um in Ruhe nach Hause zu gehen, denke ich. Meine Freundin berichtet, das sei beeindruckend, ihr gefällt es. Diesmal sei das Thema der Veranstaltung „Zukunft“ und so sehe sich der Künstler eben selbst in der Zukunft. Das sei realistisch, meint sie. „Hyperrealistisch.“ Doch sie schafft es nicht, mich ganz zu überzeugen, und wir ziehen weiter.

Wir schauen uns flüchtig andere Installationen an, wir wollen nach draußen, wo die meisten Besucher*innen mit Glas in der Hand in Gruppen stehen oder sitzen. Doch an einer Ecke, hinter einer Wand aus Plexiglas warten Tausende Glückskekse, aufgemacht zu werden, und wir können der Versuchung nicht widerstehen. Den Toten haben wir schon vergessen. Bei meiner Freundin steht die Frage „Haben -ismen eine Zukunft?“, was für eine kurze Diskussion reicht. Der Satz meines Zettelchens dagegen kommt mir persönlich vor. Er lautet: „Gibt es ein Gleichgewicht zwischen dem, was du fühlst, und dem, was du weißt?“ Darüber muss ich nachdenken.

Luciana Ferrando