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Menschen und Landschaften

Beharrliches Fragen, wiederkehrende Themen und Orte: Das Filmmuseum Potsdam gratuliert dem ostdeutschen Dokumentarfilmer Volker Koepp zum 75. Geburtstag

Von Ekkehard Knörer

Eine Edition der frühen Filme von Volker Koepp ist unterteilt in „Landschaften“ und „Porträts“. Das fasst das Werk des 1944 in Stettin geborenen, in der DDR groß gewordenen und im vereinten Deutschland unbeirrt weiterarbeitenden Filmemachers bestens zusammen.

Nur die Trennung, die geht nicht auf. Im Grund sind alle, jedenfalls seine langen Filme, immer beides zugleich: Filme, die Menschen und Landschaften dokumentieren, weil für Koepp die stets eigensinnigen Menschen aus den über viele Jahre hinweg von den grandiosen Kameramännern Christian Lehmann und Thomas Plenert gefilmten Landschaften kaum zu lösen sind. Darum filmt er sie immer darin, in der Landschaft, stehend, sitzend, stellt sie dahin, ein bisschen wie August Sander die Leute in seinen Fotografien, wo sie hingehörten hingestellt hat, und stellt ihnen Fragen.

Diese Fragen gehen als Smalltalk oft ins ganz Große. „Wie soll man leben?“ fragt Koepp in „An der Unstrut“ (1986) einen älteren Herrn. Das zielt gar nicht so sehr aufs Dialogische, kaum je wird eine Konversation daraus, aber oft gelingt es, die Menschen mit diesen lakonischen, verqueren Fragen aus der Reserve zu locken. Und manchmal kommen Fragen zurück, etwa von einer der Frauen, die wir über die Jahre in seinem großartigen „Wittstock“-Zyklus kennengelernt haben. „Warum hast du heute bessere Fragen gestellt als sonst immer?“, fragt sie ihn, in „Berlin–Stettin“ (2009), das ist Koepps autobiografischster Film, mit vielen Bewegungen zurück ins eigene Leben.

Also auch zu den Anfängen als Dokumentarfilmer. Der erste Film war eine Strafarbeit: Er hatte sich an der Filmhochschule in Babelsberg mit dem Prager Frühling solidarisiert, also schickte man ihn mit der Kamera in die Produktion, eine Ziegelbrennerei in Zehdenick. „Dokumentarfilm, das gefiel mir“, sagt Koepp auf der Tonspur. Mitte der Siebziger ist er dann das erste Mal in Wittstock in der Mark, filmt Arbeiterinnen in der gerade neu erbauten Trikotagenfabrik, freundet sich mit ihnen an. Bis in die Neunziger kehrt er mehrfach wieder, verfolgt die Leben der Frauen, auch den Niedergang der Industrie nach der Wende.

Die Wiederkehr ist ohnehin ein wichtiger Zug in ­Koepps Werk. Er ist treu, dem Osten, den er wieder und wieder bereist und dokumentiert, von der Uckermark bis an die Kurische Nehrung, von Galizien bis Stettin. Um die Uckermark ging es im vorletzten Film, kurz und knapp „Landstück“ (2016) betitelt, mit dem jüngsten Werk „Seestück“ (2018) schlägt er einen größeren Bogen, die Ostsee-Anrainerstaaten entlang. Aus dem Off gibt es, wie immer, Orientierung von Volker Koepp selbst, der keine Scheu vor dem „Ich“-Sagen hat, ohne sich je ins Zentrum zu stellen.

Es ist eher eine indirekte Selbstporträtkunst: Er filmt die Landschaften, die er liebt, und es ist auch bei aller Unterschiedlichkeit ein besonderer Schlag Mensch, den er vor seine Kamera holt: nie die ganz Glatten, viele knorrig, verschroben verschmitzt oder auch ernsthaft in ihre Sache vertieft, liebenswert auf widerständige Art. Und in „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“ (1999), seinem vielleicht bekanntesten Film, haben sich eine Menge Leute in die beiden Protagonisten, die letzten jüdischen Bewohner von Czernowitz, verliebt.

In „Seestück“ kehrt Koepp mehrfach nach Greifswald zurück, die Stadt, den Rathausplatz hat er immer gemocht. Der Film sucht aber auch viele andere Orte auf, ist fast eine Art Skizzenbuch, man lernt eine Menge Leute kennen: eine junge Frau, die ihm ein Lied singt; ein älteres Paar in Schweden; einen sehr alten Fischer, der das Verschwinden der Fische über Jahrzehnte im Blick hat („Aal ist schon gar nicht mehr hier“); einen Wissenschaftler, der einem einiges über die Ostsee erklärt, den sehr unterschiedlichen Salzgehalt, die sich ausbreitenden „Todeszonen“, in denen keine Fische mehr leben; ein Germanist in Kaliningrad, der mit Kant philosophiert. Man fährt mit einem Mann über die See, der die mangelnde Sicherheit in der stark frequentierten schmalen Fahrrinne für große Schiffe beklagt. Ganz zu Beginn schiebt sich ein riesiges Kreuzfahrtschiff ins Bild, füllt es, majestätisch, bedrohlich, ein Fremdkörper, der den Blick auf die Ostsee verstellt.

Und dazwischen und daneben, mit Menschen darin, öfter ohne sie, atemberaubende Aufnahmen, die Kurische Nehrung, die Schären, Übergänge von Land und See und Himmel mit sich türmenden Wolken, mal unbewegt, öfter in langsamen Schwenks, die grandiose Kamera­arbeit von Uwe Mann steht der seiner berühmten Vorgänger in nichts nach. Wie stets lässt sich Koepp ganz aufs Konkrete ein, das einzelne Leben mit manchem Detail, aber zugleich geht der Blick auch ins Weite. Und wieder zurück. Auf Landschaften, und die Menschen darin.

In Anwesenheit Koepps zeigt das Filmmuseum Potsdam am 18. 6. um 19 Uhr seinen Film „Seestück“ (2018). Zudem gibt es eine Laudatio und einen Empfang im Foyer. Und im Kino Krokodil läuft eine Koepp-Werkschau noch bis zum 21. 6., Infos unter: kino-krokodil.de

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