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das portraitKritischer Journalist Iwan Golunow soll aus Hausarrest freikommen

Foto: Dmitry Serebryakiv/ap

Bis zu seiner Festnahme am Donnerstag hätte Iwan Golunow auf der Straße kaum jemand erkannt. Der Name des Enthüllungsjournalisten war einigen zwar geläufig, wie er aussah und wer sich hinter dem umtriebigen Spürhund verbarg, wussten indes nur wenige. Der 36-jährige Journalist aus Moskau ist ein leiser, unauffälliger Mensch, der „beste schreibende Ermittler mit tadelloser Reputation“ nannte ihn ein weniger bescheidener Kollege.

Am Donnerstag war Golunow auf dem Weg zu einem Treffen von der Polizei festgenommen worden, am späten Dienstagnachmittag meldete die Nachrichtenagentur AFP, dass die Vorwürfe wegen des Verdachts auf Drogenbesitz und -handel fallengelassen worden seien. Einige Tütchen mit dem Amphetamin Mephedron und Kokain seien bei ihm in der Wohnung gefunden worden, hieß es zunächst. Inzwischen stellte sich heraus, dass an den Beweisstücken die Fingerabdrücke des vermeintlichen Besitzers fehlen.

Rund ein Drittel der Häftlinge in russischen Strafanstalten sitzt wegen ähnlicher Delikte ein. Vielen sind die Drogen untergeschoben worden. Auch Golunow behauptete das von sich. Wie fahrlässig wäre es auch gewesen, wenn er als bekannter Journalist Drogen bei sich zu Hause lagern würde?! Daran glaubten nicht einmal die hartgesotteneren Vertreter der russischen Staatsmacht. Möglicherweise wollte die nun drohenden Protesten gegen die Festnahme Golunows zuvorkommen.

Am Wochenende noch war Golunow dem Richter vorgeführt worden, der Hausarrest anordnete. Für Drogenverdacht eine sehr milde Strafe.

Zurzeit arbeitet Golunow beim Internetportal Meduza. 2014 zog die Plattform nach Lettland um, um Übergriffen der Staatsmacht zuvorzukommen. Golunow hatte auch bei der Wirtschaftszeitung Vedomosti, dem Blatt RBK, der russischen Forbes und dem privaten Kanal „Doschd“ gearbeitet. Allesamt noch Qualitätsmedien.

Aktuell arbeitete Golunow an einer Fortsetzungsgeschichte zu Einkünften aus dem Bestattungswesen, das sich ehemalige Vertreter der Sicherheitsorgane, Abgeordnete und Beamte seit Jahren unter einander aufteilen. 60 Milliarden Rubel umfasst das Geschäft offiziell jährlich, der Graubereich wird unterdessen auf insgesamt 250 Milliarden geschätzt. Der erste Teil erschien im vergangenen Jahr. Golunow war bereits mehrfach unter Druck gesetzt worden. Vermutet wird, dass die Ordnungshüter im Auftrag der Beerdigungsmafia Golunow aus dem Verkehr ziehen wollten.

Im Dezember enthüllte er einen Skandal aus dem Umfeld des Moskauer Vizebürgermeisters Petr Birjukow. Verwandte sollen neun Penthäuser zu Vorzugspreisen erstanden haben. Auch Geschäften und Schiebungen bei der Renovierung Moskaus ging er minutiös auf die Spur. „Das erste, woran man denkt, ist die journalistische Arbeit, deretwegen er verfolgt wird“, sagte Michail Fedotow, Vorsitzender der Menschenrechtskommission beim russischen Präsidenten. Klaus-Helge Donath, Moskau

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