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Archiv-Artikel

Biogas-Bauern beleuchten bereits zweimal Bielefeld

Die Ökostrombranche hat zwei Gesichter in Nordrhein-Westfalen: Während die Stromerzeugung durch Biogasanlagen vor allem in Westfalen boomt, wird über die Zukunft der Windkraftanlagen nicht zuletzt der Ausgang der Bundestagswahl im September entscheiden

MÜNSTER taz ■ Seit der Novelle des „Erneuerbaren Energien Gesetzes“ (EEG) sprießen die Biogas-Anlagen in NRW nur so aus dem Boden. Grund dafür ist ein Bonus: Biogas-Anlagen, die mit nachwachsenden Rohstoffen (Naworos) betrieben werden, erhalten zur Biogas-Vergütung von zehn Cent pro Kilowattstunde einen Zuschlag von sechs Cent. „Nawaros machen 90 Prozent der 70 im Bau befindlichen Anlagen aus“, sagt Karsten Block, Geschäftsführer des Zentrums für nachwachsende Rohstoffe NRW. Da es sich bei den neuen Kleinkraftwerken meistens, um deutlich leistungsstärkere als die bereits bestehenden 160 Biogas-Anlagen handele, verdopple sich die Stromproduktion noch einmal bis Ende des Jahres.

Mit einer Produktion von rund 600 Millionen Kilowattstunden – etwa der Bedarf der Stadt Bielefeld – übertraf die vor allem von westfälischen Landwirten produzierte Energie 2004 erstmals die Wasserkraft. Rheinische Bauern steuerten wenig bei, sie bauen lieber die profitable Zuckerrübe an. Weil aber die Garantiepreise für Zuckerrüben auf der Kippe stehen, dürfte auch für sie der Energiezweig interessanter werden, glaubt Block. Zugleich warnt der Experte vor überstürzten Investitionen in Biogas-Anlagen mit nachwachsenden Rohstoffen: „Pro 100 Kilowatt braucht man 35 Hektar Land“, so seine Faustregel. Und der Flächenzukauf sei keine dauerhafte Option: Steigen die Getreidepreise, zahlt der Bauer wegen konstanter Stromvergütung am Ende noch drauf. Potenzial sieht das Rohstoff-Zentrum in der klassischen Biogas-Erzeugung mit Resteverwertung. Denn sollte es per Gesetz sogar zu einem Verfütterungsverbot von Speiseabfällen kommen, könnten sich die Anlagenbetreiber über großes Rohstoffangebot und hohe Annahmepreise freuen.

Weniger optimistisch sieht dagegen die Zukunft für Windkraft aus. Dabei feierte die Branche erst vor kurzem die Übernahme des Spitzenplatzes unter den regenerativen Energien: 25 Milliarden Kilowattstunden speisten 2004 die Windräder zwischen Flensburg und Zugspitze ein – 4,17 Prozent des gesamten Strombedarfs. Nordrhein-Westfalen trägt zwar lediglich ein Zehntel dazu bei, aber für den Bundesverband Wind-Energie ist es die Heimat der Zulieferindustrie mit 10.000 Beschäftigten.

Doch gerade die schwarz-gelbe Landesregierung gehört zu den Vorreitern beim Kampf gegen die Mühlen. Mindestens 1.500 Meter sollen Räder nun von Siedlungen entfernt sein. „Viele gute Standorte können bald nicht wieder neu besetzt werden“, kritisiert Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Noch schlimmer wäre es, wenn sich der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) mit seinem Zertifikate-Modell nicht nur in der FDP, sondern auch in der Union durchsetzten würde – im Gegensatz zu den derzeitigen Garantiepreisen gäbe es keine Planungssicherheit mehr für die Stromwirte: „Dann wäre die Zukunft aller erneuerbaren Energien abhängig von der Bundestagswahl“, sagt Nitzschke. RALF GÖTZE