piwik no script img

Zu abhängigfür Europa

Staatsanwaltschaften dürfen keine EU-Haftbefehle mehr ausstellen

Von Christian Rath

Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keine EU-Haftbefehle mehr ausstellen. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil. Grund: Deutsche Staatsanwaltschaften seien nicht so unabhängig wie ein Gericht.

Konkret ging es um zwei Fälle. Die Staatsanwaltschaft Lübeck verlangte von Irland die Auslieferung eines Litauers, dem Totschlag vorgeworfen wurde. Die Staatsanwaltschaft Zwickau forderte von Irland die Überstellung eines Rumänen, der in Deutschland einen bewaffneten Banküberfall begangen haben soll.

Eigentlich sind das Routineverfahren. Aufgrund des 2002 eingeführten EU-Haftbefehls können flüchtige Täter im EU-Ausland festgenommen und in einem stark vereinfachten Verfahren in einen anderen EU-Staat ausgeliefert werden. Doch nun machten die Anwälte der Männer geltend, die deutschen EU-Haftbefehle seien unwirksam. Deutsche Staatsanwaltschaften seien nicht unabhängig, weil die Justizministerien Weisungen erteilen können.

Irische Gerichte legten dem EuGH die Frage in einem Eilverfahren vor. Die Bundesregierung argumentierte, dass ja der deutsche Haftbefehl von einem Richter ausgestellt werde und der zusätzliche EU-Haftbefehl nur ein Fahndungsinstrument sei. Doch der EuGH entschied nun gegen die deutsche Praxis. Offensichtlich wollten die EU-Richter angesichts der Bedrohungen der Justiz in Polen, Ungarn und Rumänien ein Zeichen setzen, dass die Regeln auch gegenüber Staaten wie Deutschland streng ausgelegt werden.

Deutschland hat nun zwei Möglichkeiten das EuGH-Urteil umzusetzen. Die spektakuläre Möglichkeit wäre, die Staatsanwaltschaften so unabhängig zu machen wie Gerichte. Dies forderte sogleich der Deutsche Richterbund, der auch Staatsanwälte vertritt. Vermutlich wird es aber nur eine pragmatische Lösung geben. Dann müsste künftig bei EU-Haftbefehlen ein Richter die Verantwortung übernehmen und unterschreiben. Das Bundesjustizministerium will sich zunächst mit den Ländern beraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen