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Archiv-Artikel

Kein Platzverweis für Bello

Hamburgs neues Hundegesetz verunsichert die Bevölkerung – und verstößt gegen Tierschutz-Regeln. Auf einer Demonstration mit anschließender Lichterkette werben engagierte Herrchen und Frauchen morgen für Toleranz gegenüber Tier und Halter

Wie so oft: Die politisch Verantwortlichen haben das eigentliche Ziel längst aus den Augen verloren

von Kay Dohnke

Sommer im Park – das war in Hamburg irgendwie mal anders. Die Rede ist nicht vom Wetter: Wer regelmäßig in den Grünanlagen spazieren geht, bemerkt bald eine seltsame Leere: Es sind kaum noch Leute mit Hunden unterwegs. Verunsichert durch eine rigide Hundeverordnung und verängstigt durch häufige Pöbeleien, ziehen sich vor allem ältere Hundehalter zurück. Und das hat ungeahnte Folgen: Wenn die Hundeleute fehlen, hört man immer häufiger von Spaziergängern und Joggern, gehen auch sie nicht mehr gern in die Parks – früher waren stets und bei jedem Wetter irgendwo Hundeleute in der Nähe und stellten einen Sicherheitsfaktor dar, jetzt fühlen sich viele ab Einbruch der Dämmerung zunehmend allein und damit unwohl.

Doch nicht nur die Parks sind leerer, auch der Ton gegenüber Hundehaltern ist rüde geworden: Vornehmlich ältere Menschen mit Hund werden angepöbelt, jüngere Frauen mit Hund sogar angespuckt. Das Thema Hund – emotional aufgeladen wie kaum ein anderes – polarisiert die Bevölkerung. Jeder so genannte Beißvorfall schürt Angst, sodass die Toleranz der Hamburger in puncto Hund verloren zu gehen droht. Auch wenn Hundebisse de facto extrem selten sind.

Ein Grund für allgemeine Verunsicherung: das in Vorbereitung befindliche Hundegesetz. Die neue Regelung, die Mitte September verabschiedet und Anfang 2006 in Kraft treten wird, basiert auf einem von den drei großen Parteien beschlossenen Eckpunktepapier und sollte eigentlich die Lage entspannen. Doch erst einmal wird da jegliche Freiheit verboten: Vorgesehen ist ein genereller Leinenzwang, von dem es selbst für Kleinsthunde nur mit Hundeführerschein und Wesenstest Ausnahmen gibt. Bei mehrfachem Verstoß kann das Tier beschlagnahmt, dem Besitzer ein Hundehaltungsverbot auferlegt werden. Gedacht als Handhabe gegen verantwortungslose Hundebesitzer, schüchtert das nun die Halter friedlicher Tiere ein – also die Mehrzahl.

Wie so oft haben die politisch Verantwortlichen das Ziel längst aus den Augen verloren. Denn Eckpunktepapier und geplantes Hundegesetz gehen an der Realität weit vorbei – das belegen ein paar simple Zahlen: Wenn 30.000 angemeldete Hunde (und es gibt tatsächlich weit mehr!) dreimal täglich eine Runde drehen und dabei im Schnitt jeweils fünf Menschen begegnen, macht das in einem Jahr 32.850.000 Spaziergänge mit 164.250.000 Kontakten zwischen Menschen und Hunden – 164 Millionen 250 Tausend, niedrig gerechnet. Dagegen weist die Beißstatistik 445 Vorkommnisse für 2004 aus. Allerdings: 243 dieser von der Presse gern so genannte „Beißattacken“ fanden unter Hunden statt. Und die verbleibenden 202 Bisse gegen Menschen passierten überwiegend auf Privatgrund oder daheim in der Familie, nicht beim Gassigehen oder in öffentlichen Parks. Ob 32-millionenfacher Leinenzwang zur Vermeidung einer winzigen, wohl unvermeidbaren Zahl von Bissen angemessen ist? Die, nebenbei bemerkt, am häufigsten von Schäferhunden stammen?

Doch das Hundegesetz legt noch eins drauf: Vorgesehen sind Mitnahmeverbote bei Volksfesten, auf Märkte und in Grünanlagen. Klar, Hunde gehören nicht auf Hafengeburtstag oder Dom – aber der Platzverweis aus den Parks ist völlig absurd. Vordergründig bietet die Politik eine Lösung an: die Hundefreilauffläche. Gut 60 gibt es davon derzeit – es kommen also im Schnitt 500 Tiere auf eine solche, oft sehr kleine Fläche. Klar, dass hier kein Hund seinen Bewegungsbedarf stillen kann und Revierstreitigkeiten vorprogrammiert sind.

Hundeexperten unterschiedlicher Fachrichtung sind sich einig: Das geplante Hundegesetz lässt keine artgerechte Hundehaltung mehr zu, ja verstößt regelrecht gegen die Forderungen des Tierschutzes, Hunde müssen sich frei entfalten und soziale Kontakte aufbauen können. Die Kritik am Gesetz ist vielfältig, reicht vom bekannten Therapiehundeausbilder Michael Grewe über Altonas Propst Horst Gorski bis zum Bundesverband der praktizierenden Tierärzte.

Schluss mit Verunsicherung und Feindseligkeit in Parks, fordern jetzt engagierte Hundehalter: Mehr oder minder organisiert setzen sie sich für ein Miteinander in Hamburgs Parks ein und fordern dringend die Überarbeitung des Hundegesetzes – vor Gericht, das ist geprüft, hätte es ohnehin keinen Bestand.

Demo für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Hunden: Freitag, 19. 8., 19 Uhr, ab Glockengießerwall/Hauptbahnhof, anschließend Lichterkette an der Alster. Hunde müssen angeleint und Kot entsorgt werden