: Die Feuerwehr kommt sonst nicht mehr
Gewerkschaft fordert 100 Feuerwehr-Neueinstellungen als Konsequenz auf Arbeitszeit-Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Sonst sei Einsatzfähigkeit der Löschzüge nicht mehr gewährleistet. Innenbehörde prüft neue Arbeitszeit-Konzepte
von Marco Carini
Welche Konsequenzen zieht die Hansestadt aus einem Urteil, in dem der Europäische Gerichtshof vergangene Woche die 50-Stunden Woche bei der Hamburger Feuerwehr für unrechtmäßig erklärte? Nach Auffassung der Gewerkschaft ver.di, die das Urteil erstritten hat, müssen in seiner Folge nicht nur um die 100 neuen Stellen geschaffen werden, sondern den rund 2.000 städtischen Feuerwehrbediensteten die unrechtmäßige Mehrarbeit der vergangenen sechs Jahre ausgeglichen werden.
Zweistellige Millionenbeiträge – oder Freizeitausgleiche von bis zu rund 1 Million Stunden – kommen laut ver.di auf die Innenbehörde zu. Fehlt der Stadt das Geld für Nachzahlungen, würde ein Abbummeln der zuviel geleisteten Arbeit die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr in Frage stellen.
Der Europäische Gerichtshof hatte vergangenen Monat einevon Innensenator Hartmut Wrocklage eingeführte Arbeitszeitregelung gekippt, da diese über die europäische Höchstarbeitszeitregelung von 48 Stunden hinausschieße. Noch aber ist dieses Mehrarbeitsverbot für die Feuerwehren nicht rechtswirksam: Das Bundesverwaltungsgericht muss den Spruch noch übernehmen. „Dies wird vermutlich in zwei bis vier Monaten passieren und das BVG hat dabei keinerlei Spielräume“, weiß Werner Lehmann, der Vorsitzende des Feuerwehr-Personalrats.
Ver.di-Anwalt Jan Ruge geht davon aus, dass die Stadt spätestens dann die Arbeitszeiten reduzieren und nicht nur den 250 Betroffenen, die gegen die Arbeitszeiterhöhungen geklagt haben, die Mehrarbeit ausgleichen muss. Ruge: „Darauf haben alle 2.000 Feuerwehrleute Anspruch, soweit sie von der Mehrarbeitsregel betroffen waren.“
Der Feuerwehr-Personalrat will jetzt gemeinsam mit ver.di einen umfangreichen Freizeitausgleich für die LöscherInnen durchsetzen und die Arbeitszeitverkürzungen durch vermehrte Freischichten verwirklichen. „Es geht darum, eine Neubesetzung von 100 Stellen durchzusetzen, damit keine Personallücken entstehen, die auf Kosten der Sicherheit gehen“, gibt die ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess ein weiteres Ziel vor.
Denn ohne Neueinstellungen sei die Einsatzfähigkeit der Löschzüge und des Rettungsdienstes „nicht länger zu gewährleisten“. Eine Lösung auf „dem Rücken der Beschäftigten“, etwa Lohnkürzungen oder Arbeitsverdichtungen, will die Gewerkschaft „nicht hinnehmen“. Friess: „Dafür haben wir das nicht durchgekämpft.“
Laut Innenbehörden-Sprecher Marco Haase wird in den Amtsstuben „zurzeit in aller Ruhe geprüft, was aus dem zu erwartenden Richterspruch des Bundesverwaltungsgerichtes folgt“. Dabei wird nach Informationen der taz in der Behörde vorrangig darüber nachgedacht, mit einer veränderten Arbeits-Organisation die entstehenden Personallücken zu kompensieren. Eine Einstellungswelle ist nicht geplant.
Zudem prüft die Behörde, ob rückwirkende Ansprüche der Feuerwehrleute tatsächlich rechtlich durchsetzbar sind. Denn zwei Urteile des Bundesverwaltungs- und des Bundesarbeitsgerichtes schließen Nachschlagzahlungen nach Auffassung einiger Juristen nahezu aus. Dabei betont die Behörde, dass es Sicherheitslücken bei Brandkatastrophen auch in Zukunft nicht geben werde. „Wenn es brennt“, so Haase, „wird die Feuerwehr nicht auf sich warten lassen.“