wortwechsel: Irritation, Verwunderung und Zustimmung
Ist das Zweinutzungshuhn eine gute Idee? Hilft Emissionshandel zur Reduzierung von CO2? Wer hat sonst noch so den Bremer „Bamf-Skandal“ hochgejazzt? Ein Rat an die Grünen
„Eier in den Müll zu werfen, statt Küken zu töten, ist keine Lösung“, taz vom 17. 5. 19
Eifrei backen
Über diesen Gastkommentar war ich … „irritiert“. Eine Mitarbeiterin einer Umweltschutzorganisation, der zum Thema Kükentöten nichts anderes einfällt als das „Zweinutzungshuhn“, das letzten Endes ebenfalls nur eine „Scheinlösung“ darstellt?
Das finde ich schon sehr enttäuschend, sollte es doch unter Umwelt-, Klima- und Tierschutzaspekten primäres Ziel sein, verstärkt auf pflanzliche Lebensmittel zu setzen. Daher die Frage: Möchte die taz als ökologisch ausgerichtete Tageszeitung die Debatte nicht um die Veröffentlichung eifreier Back- und Kochrezepte bereichern? Gerade Eier lassen sich wunderbar ersetzen. Ich war selbst erstaunt festzustellen, wie gut rein pflanzlicher Kuchen, etwa nach Rezepten von Jérôme Eckmeier oder Surdham Göb, gelingt. Christina Stüwe, Vechelde
Eine echte Lösung
Die Mitarbeiterin des BUND betrachtet das sogenannte Zweinutzungshuhn als „echte Lösung“ im Rahmen eines dringend benötigten „ganzheitlichen Umdenkens in der Agrarpolitik“. Doch handelt es sich dabei nicht ebenso um eine Scheinlösung wie bei dem von Frau Bender arg kritisierten Eierwegwerfen?
Wie ihre überzüchteten Pendants würden auch die „Zweinutzungshühner“ unter den leider auch im Biobereich üblichen artwidrigen Bedingungen in Massen gehalten und nach einem kurzen Leben getötet werden. Hinzu kommt die Ressourcenvergeudung (Fläche, Wasser, Energie), die mit der Produktion von tierischen Produkten stets einhergeht. Mag das „Zweinutzungshuhn“ auch einen geringfügigen Fortschritt bedeuten – letztendlich geht es einmal mehr nur um das Herumdoktern an einem kranken System zur Aufrechterhaltung des Status quo.
Ein Wort zum in Anbetracht von Tierleid, Klimaerhitzung, Umweltzerstörung und dem Hunger in der Welt dringend benötigten Wandel unserer Ernährungsgewohnheiten sucht man in dem Kommentar der „Umweltschützerin“ ebenso vergeblich wie einen Verweis auf die Vielfalt der pflanzlichen Küche sowie die zahlreichen Möglichkeiten, Eier etwa beim Backen auf ökologische und tierfreundliche Weise zu ersetzen. Das jedoch wären echte Lösungen! Dirk Jessen, Braunschweig
Gutes Zertifikat
„Kein Allheilmittel fürs Klima“, taz vom 17. 5. 19
Mit großer Verwunderung habe ich den Artikel von Herrn Kreutzfeldt gelesen. Der CO2-Emissionshandel der EU (ETS) würde angeblich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie massiv gefährden. Das ist jedoch so nicht richtig.
Der Emissionshandel ist das effektivste und kostengünstigste Instrument, um CO2-Emissionen zu senken. Es erfolgen mittels Zertifikaten Mengenvorgaben für den CO2-Ausstoß, die jährlich nach einer vereinbarten Rate verringert werden. Der CO2-Ausstoß wird somit eindeutig mengenmäßig begrenzt, was bei einem Steuersystem nicht der Fall ist. Durch den Handel mit den Zertifikaten im ETS wird erreicht, dass letztendlich immer dort CO2 eingespart wird, wo es volkswirtschaftlich gesehen am günstigsten ist. Egal ob die Einsparungen bei der Industrie, beim Verkehr oder bei den Heizungen erfolgen. Der Atmosphäre ist es ja auch egal, aus welchem Sektor das schädliche CO2 stammt. Niemand wird beim ETS übervorteilt oder benachteiligt.
Alle erfassten Energiesektoren sind gleichermaßen betroffen. Als ganz großes Plus kommt noch hinzu, dass der Emissionshandel die gesamte EU betrifft. Somit gibt es keinerlei Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten. Der Einspareffekt ist europaweit wesentlich größer als bei einem CO2-Steuersystem, vorausgesetzt, es werden bei der jährlichen Reduktion der Zertifikate auch die Daumenschrauben entsprechend angezogen.
Natürlich führt auch ein Steuersystem zu einer CO2-Einsparung, die aber unbestimmt bleibt, weil nur ein Preis, jedoch keine Reduktionsmenge vorgegeben wird. Wenn dann die zusätzlichen Steuereinnahmen wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden, können diese wiederum mehr konsumieren und damit den CO2-Ausstoß durch die Hintertür wieder erhöhen. Das ist natürlich bei sozial Schwachen verständlich, verringert aber den CO2-Einspareffekt.
Beim ETS werden die Zertifikate zukünftig nur noch versteigert. Die Erlöse können für Umweltmaßnahmen verwendet oder auch als sozialer Ausgleich an bedürftige Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Dabei ergibt sich ein riesengroßer Vorteil gegenüber einem CO2-Steuersystem: Die Rückgabe der Erlöse führt in keinem Fall zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes durch die Hintertür, weil die ausgestoßene Menge an CO2 über die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate genau festgelegt ist. Bernhard Hartkorn. Lampertheim
Ganz ohne Konjunktiv
„Der Bamf-Skandal, ein Medienskandal?“, taz vom 18./19. 5. 19
Dieser Rückblick auf die aufgeblasenen Vorwürfe gegen die Bremer Bamf-Außenstelle war ebenso aufschlussreich wie ernüchternd. Was fehlte, war allerdings ein Hinweis auf die Berichterstattung der taz selbst in dieser Angelegenheit. Während Benno Schirrmeister sich in der taz-Nord redlich mühte, Tatsachen und Gerüchte auseinanderzuklamüsern, wurden im überregionalen Teil die Behauptungen anderer Medien und diverser Behörden ohne erkennbaren Versuch zu eigener Recherche circa zwei Wochen lang nachgebetet, bis endlich auch hier ein Überblicksartikel von Schirrmeister erschien.
In dieser Zeit machte die taz die Vorwürfe dreimal zum Gegenstand von Kommentaren auf Seite 1. Und darin zogen die AutorInnen mächtig vom Leder: Von „offenbar in großer Zahl falsch ausgestellten Asylbescheiden“ war die Rede, von einer „Bremer Drehtür“, von einer „Amtsleiterin, die 1.200 Asylanträge ohne ausreichende Prüfung bewilligt“ – ganz ohne Konjunktiv oder ein vorangestelltes „mutmaßlich“. Die Worte „Skandal“, „Affäre“ und „Manipulation“ wurden ohne Gänsefüßchen verwendet. Am 24. Mai verstieg sich die taz gar zu einem Lob von Innenminister Seehofer für seinen angeblichen Aufklärungswillen. Angesichts dessen wirkt die Kritik an SZ, NDR, Radio Bremen und Spiegel unredlich. Eleonore von Oertzen, Hannover
Mut ist gefragt
„En marche!“, taz vom 18./19. 5. 19
Große Zustimmung zu Peter Unfrieds Hasenfußmahnung an die Grünen. Ohne eine entschlussfreudige Radikalität und ohne tabubrechende Bündnisbereitschaft der Grünen wird das hohle „Weiter so!“ in Deutschland und in Europa durch die Rechten abgelöst und Europa „vertrumpt“. Daniel Cohn-Bendit hatte mit seinem Statement völlig recht: Die Grünen müssen partnerschaftlich für Mut und Aufbruch stehen und den ökologischen Wandel wirtschaftlich, sozial und solidarisch zu einer zukunftsfähigen europäischen Kernkompetenz entwickeln. Die Merkel’sche Verharmlosungs- und Beruhigungspolitik zieht nicht mehr. Das werden die großen Parteien zu spüren bekommen. Kai Hansen, Nürtingen
Dezenter Hinweis
„Das hat Europa nicht verdient“, taz vom 22. 5. 19
Anja Maier hat drei Dinge in einen Topf geworfen: DB Cargo, DB Netz und die unerwähnte Siemens, welche die abgebildete Lokomotive baut. Es ist der aktuelle Bestseller Europa-Lok ES64U, auch Vectron genannt, die, wie sie richtig schreibt, im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt wird, und zwar von vielen europäischen Bahngesellschaften, auch mit europaverbindenden Werbeaufdrucken. Dieser Werbeaufdruck ist deswegen kein „bizarres Signal“, sondern ein dezenter Hinweis auf den technisch unproblematischen gesamteuropäischen Güterverkehr, der freilich, und da hat sie recht, vom deutschen Netz ausgebremst wird.
Bernhard Stoelzel, Rheda-Wiedenbrück
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