: Der Selbstverteidigungsminister
Britische Premierministerin entlässt ihren Verteidigungsminister wegen mutmaßlichen Geheimnisverrats
Von Dominic Johnson
Nichts charakterisiert Theresa May besser als Geheimniskrämerei und Sicherheitsdenken, und so passt es, dass ihre erste Ministerentlassung seit 2017 nicht wegen Brexit-Illoyalität erfolgt, sondern wegen mutmaßlichen Geheimnisverrats. Verteidigungsminister Gavin Williamson wurde am Mittwochabend abgesetzt, da er den Verdacht nicht ausräumen konnte, aus dem streng geheim tagenden Nationalen Sicherheitsrat (NSC) geplaudert zu haben.
Hintergrund ist, ob der chinesische Technologiekonzern Huawei vertrauenswürdig genug ist, um ihm Aufträge zum Aufbau von modernen 5G-Netzwerken erteilen zu können. Da Huawei wie alle chinesischen Unternehmen gesetzlich zur vollen Zusammenarbeit mit Chinas Geheimdiensten verpflichtet ist, halten Kritiker Huawei-Netze für Spionagenetze aus China.
Während in EU-Ländern die Debatte noch läuft, haben die USA, Australien und Neuseeland Huawei aus ihren 5G-Netzen ausgeschlossen, und Kanada eröffnete vor Monaten mit der spektakulären Festnahme einer Huawei-Direktorin eine eigene Front. Damit stand Großbritannien unter Zugzwang: Es bildet mit den USA, Australien, Neuseeland und Kanada seit dem Zweiten Weltkrieg das Geheimdienstnetzwerk „Five Eyes“ zum uneingeschränkten Datenaustausch, Rückgrat der Geheimdiensttätigkeit des Westens. Da kann nicht eines der fünf Länder Huawei-Technologie nutzen, die die anderen aus Sicherheitsgründen aussperren.
Am 24. April berichtete aber der Daily Telegraph, der NSC habe am Vortag unter Vorsitz von May Huawei grünes Licht dafür gegeben, „Nicht-Kern-Bereiche“ des britischen 5G-Netzes aufzubauen – gegen den Rat von Verteidigungsminister Williamson, Außenminister Jeremy Hunt und Entwicklungsministerin Penny Mordaunt.
NSC-Beratungen sind vertraulich. Wer hatte das dem Telegraph gesteckt? Eine interne Untersuchung durch Mays Stab kostete Williamson sein Amt. Mays Entlassungsbrief ist beeindruckend scharf: Er habe nicht ausreichend kooperiert, heißt es, und „heute Abend habe ich Ihnen die neuesten Informationen aus der Untersuchung vorgelegt, wonach überzeugende Beweise Ihre Verantwortung für die unautorisierte Offenlegung nahelegen. Keine andere glaubwürdige Version, die den Leak erklärt, wurde identifiziert.“
In seinem Antwortschreiben widerspricht Wiliamson: Der Leak komme nicht aus seinem Ministerium und „ich bin zuversichtlich, dass eine umfassende förmliche Untersuchung meine Position bestätigt hätte“.
Ein so öffentlicher Zwietracht ist in der britischen Politik selten, aber wenig verwunderlich angesichts der Art, wie sich die Regierung May in den letzten Monaten öffentlich über den Brexit zerlegt. Wobei, wie im Parlament am Donnerstag wiederholt wurde, es keine förmliche Beschuldigung gegen Williamson gibt. Er sei wegen Vertrauensverlustes entlassen worden, betonte Kabinettsminister David Lidington. Weil aber gegen Williamson nicht ermittelt wird, hat er auch keine Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen, merkten Parteifreunde an. Der Exminister erklärte im Fernsehen, er schwöre „beim Leben meiner Kinder“ seine Unschuld.
Der 42-jährige Jungpolitiker mit der Fiepsstimme ist in Militärkreisen wenig beliebt. Er gilt als Leichtgewicht, für den das Amt des Verteidigungsministers mehrere Nummern zu groß war. Auf Kritik stieß im Februar eine Grundsatzrede, auf der Williamson die Entsendung eines Flugzeugträgers ins Südchinesische Meer ankündigte – der Flugzeugträger, stellte später Mays Sprecher klar, sei noch im Bau und erst 2021 einsatzbereit.
Nun ist Williamson weg. Nachfolgerin wird die bisherige Entwicklungsministerin Mordaunt, die aus einer Militärfamilie stammt und damit den nötigen Stallgeruch mitbringt. Neuer Entwicklungsminister wird der Diplomat Rory Stewart, früher ein hochgeschätzter Afrika-Staatssekretär. Damit beweist eine glücklose Premierministerin endlich Kompetenz.
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