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In der Hauptstadt waren die Hedonisten los

Morgens fielen noch einige Tropfen Regen, doch pünktlich zum Start des 1. Mai schien in Berlin wieder die Sonne. Nicht nur in Kreuzberg, auch im Südwesten der Stadt wurde gefeiert und demonstriert: Zum zweiten Mal zog die Hedonistische Internationale durch die Villenviertel der Bessergestellten. Gemeinsam mit anderen linken Gruppen hatten sie zu einer satirischen Demo getrommelt: „MyGruni“ haben sie ihre Aktion genannt – in Anlehnung an das berühmte und bei vielen AnwohnerInnen als „Ballermann“ verschriene Volksfest „MyGörli“ im Görlitzer Park in Kreuzberg.

Die Auftaktkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz Grunewald hatte dann auch Volksfestcharakter. Bands spielten, DJs legten auf, viele Teilnehmer tranken Sekt. Die ernsthaften Botschaften hinter dem Spaß: „Raus aus der Isolation, hin zu einem Verständnis von Gemeinschaft. Umverteilung von Vermögen“, hatte eine der InitiatiorInnen der taz im Vorfeld gesagt. Tausende sind am Mittwoch dem Aufruf in den Grunewald gefolgt. Wie aus der Innenstadt gewohnt, war auch der Polizeiauflauf: 900 BeamtInnen hat die Polizei aufgefahren. Bei der Zugangskontrolle im Bahnhof wurden TeilnehmerInnen Sticker abgenommen – die hatten im letzten Jahr auf teuren Autos der Villenbesitzer geklebt und für Ärger gesorgt.

Auf der Bühne sprach ein Redner vom Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, das Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin enteignen will. Das „Gespenst der Enteignung“ gehe um, sagte er. Im Publikum hatten die Unterschriftensammler Probleme, Leute zu finden, die noch nicht unterschrieben haben.

Nach Kreuzberg strömten am Nachmittag wie in den vergangenen Jahren die Trink- und Feierfreudigen. Das Bezirksamt wollte das „MyFest“ nach einer Anwohnerumfrage kleiner und politischer gestalten. Auf nur noch vier Bühnen sollte es weniger Musik und mehr Wortbeiträge geben, so die Vorgabe. Tatsächlich war das Fest am Nachmittag zwar gut besucht, wirkte aber nicht so voll wie in den Vorjahren.

Enttäuschung bei manchen BesucherInnen des Görlitzer Parks: Hier hatte es im vergangenen Jahr eine öffentliche Open-Air-Party gegeben. Dass die abgeschafft wurde, hatte sich nicht überall herumgesprochen. „Schade, es hatten hier alle viel Spaß“, sagte ein junger Mann mit Sonnenbrille. Um spontane Feiern zu verhindern, kontrollierten Sicherheitsleute an den Eingängen Rucksäcke auf Flaschen und Musikanlagen. Florian Fleischmann vom Parkrat sah das kritisch. „Die Party findet dann eben in den Nebenstraßen statt.“

Antje Lang-Lendorff, Joana Nietfeld, Erik Peter

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