Propaganda recycelt

Historienbilder als Teppichkunst: die Ausstellung „Wie der Krieg auf den Teppich kam“ im Studio der Bumiller Collection in Kreuzberg

Knüpfkunst mit Panzern, Granaten … Foto: Bumiller Collection

Von Tom Mustroph

Tatatata“ heißt es lautmalerisch auf einem Teppich. Neben den repetitierten Silben, die gleich das Geräusch von Salven aus Maschinenpistolen im Kopf entstehen lassen, sind Abbildungen von Panzern, Flugzeugen und Kalaschnikows zu sehen. Die Kriegsgeräte sind deutlich zu erkennen – ein Ergebnis der großen handwerklichen Fähigkeiten der Frauen von den halbnomadischen Stämmen vor allem im Norden und Westen Afghanistans.

Pro Millimeter gibt es einen Knoten. Bei den Teppichen, die oft die Größe von 1 auf 2 Metern erreichen, ergibt dies etwa 2 Millionen Bildpunkte. Damit lässt sich eine ganze Menge darstellen. Einzelne Teppiche zeigen wahre Angriffswellen. Auf Sequenzen von fünf Flugzeugen folgen fünf Kalaschnikows, darauf vier Helikopter und erneut fünf Maschinenpistolen. Das Kriegsgerät wird zum Ornament, eingerahmt noch von der traditionellen Bordüre.

„Ich stieß 2002 auf meinen ersten Kriegsteppich. Das Goethe-Institut quartierte mich in Karatschi bei einem britischen Künstler ein. Meine Schlafunterlage war ein Teppich. Und als ich ihn am Morgen zusammenrollte, um Platz im Wohnzimmer zu schaffen, sah ich, dass zwischen den gewohnten Darstellungen von Tieren auch Granaten und Kampfflugzeuge abgebildet waren“, erzählt Till Passow. Aus der Sammlung des Filmemachers stammen die Exponate in der Ausstellung „Wie der Krieg auf den Teppich kam“ im Studio der Bumiller Collection in Kreuzberg.

Seit der sowjetischen Invasion Afghanistans fügten einheimische Knüpferinnen Kriegsmotive wie Panzer und Handgranaten, Helikopter und Kalaschnikows in große Teppiche ein. Das Thema ließ den Filmemacher Till Passow seit der ersten Begegnung nicht mehr los. Er besuchte Teppichmärkte, erst in Pakistan, später auch in Afghanistan selbst, und kaufte diese Objekte der Volkskunst.

Zwei Erklärungsansätze gibt es für die Entstehung der Kriegsteppiche. „In den Teppichen wurde seit jeher auch der Alltag verarbeitet. Seit dem Einmarsch der Russen in Afghanistan gehörte der Krieg zum Alltag“, meint Passow. „Die Teppiche dienten aber auch zu Propaganda-Zwecken, als Aufruf zum Kampf gegen die Besatzer“, ergänzt er.

Das Kriegsgerät wird zum Ornament, eingerahmt von der traditionellen Bordüre

Im Comic-Stil sind daher auf manchen textilen Werken bärtige Männer an Kalaschnikows zu erkennen, die auf Panzer oder Hubschrauber zielen. Waren die ersten Teppiche in den frühen 1980er Jahren noch sehr simpel gehalten – großflächige Silhouetten des Kriegsgeräts füllten da den Bildraum –, so verfeinerte sich im Laufe der Zeit der Gestaltungswille. Ganze Kampfszenen wurden abgebildet, mit Flugzeugen, die Bomben auf Häuser und Städte abwarfen, Panzern, die durch Siedlungen rollten und mit ihren Ketten Köpfe regelrecht abscherten. Dramatischer Höhepunkt ist die Darstellung eines Nachtangriffs. Die Grundfarbe ist tiefblau. Das phosphoreszierende Licht von Leuchtspurgeschossen erhellt Ziele und Waffen; der Krieg bekommt hier eine psychedelische Note.

Nach dem Angriff auf die Zwillingstürme des World Trade Centers setzte eine neue Phase der Knüpfkunst von Kriegsteppichen ein. „Es waren vor allem nach Pakistan geflüchtete Afghanen, die hier Teppiche mit den Motiven von 9/11 anfertigten“, erzählt Passow. Auch einige Stücke aus dieser Zeit hat er in seiner mittlerweile 70 Exponate umfassenden Sammlung aufgenommen. Ironischerweise wurden diese Teppiche zum Teil nach Flugblättern gestaltet, die die US-Army zur propagandistischen Begründung ihrer Luftangriffe in Afghanistan vom Himmel abwerfen ließ. Diese Teppiche sind vor allem für den westlichen Markt bestimmt, für Soldaten und Entwicklungshelfer. Ein recycelter Bildstrom also, von den Fernsehbildern aus den USA über die Propagandablätter der US-Truppen hin zu den Teppichen der aus Afghanistan Geflüchteten, die ihre Objekte wiederum den Männern und Frauen aus dem Westen als Souvenirs verkaufen.

Die Teppiche werden in der Schau mit Objekten islamischer Metallkunst aus der Sammlung des im vergangenen Jahr verstorbenen Manfred Bumiller konfrontiert. Seine Tochter, die Kunsthistorikerin Jill Bumiller, die auch die Galerie leitet, hat einige bellizistische Objekte wie einen Helm und Morgensterne ausgewählt. Auch eine Art Feldausgabe des Korans – eng beschriebene Seiten, die in ein Amulett passen – ist dabei.

Wie der Krieg auf den Teppich kam: The Bumiller Collection, Naunynstr. 68, bis 27. Juli, Do-Sa 14-18 Uhr. Am 13. Juli spricht Till Passow in der Ausstellung über seine Sammlung und zeigt Dokumentarfilme.