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wortwechselWenn Kevin etwas Richtiges sagt

Das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co. enteignen und die große positive Resonanz darauf verführt einen Juso zu geistigem Höhenflug. Und schon bricht Hysterie aus

Enteignung – das kann nur böse enden. CDU Wahlplakat von 1953 Foto: picture alliance

Zu wenig Sozialismus

„Kevin Kühnert und die Grenzen des Sagbaren“, taz vom 3. 5. 19

Reden wir mal nicht von BMW, sondern zum Beispiel von der Bayer AG. Die Konzernchefs haben den USA-Konzern Monsanto gekauft, der auch das berüchtigte Glyphosat herstellt. Deshalb rollt auf ihn eine Prozesswelle zu, weil Hunderte Menschen durch Glyphosat erkrankten und Schadenersatz wollen. Es geht um ein Mehrfaches von 10.000.000.000 Dollar! Dafür muss jetzt der Bayer-Konzern als neuer Eigentümer geradestehen. Die Aktienkurse brachen bereits um 40 Prozent ein. – Und nun? Die verantwortlichen Bosse machen weiter! Offenbar sind die Aktionäre, denen der Konzern angeblich gehört, nicht in der Lage, die Zerstörer ihrer Firma haftbar zu machen? Wem gehört die denn dann wirklich? Tausende werden ihre Jobs verlieren, oder aber der Staat, also wir, zahlen dafür. Die Verantwortlichen hingegen werden ihre Millionen schon in Sicherheit gebracht haben. – Aber nun stelle man sich mal vor, die Bayer AG wäre ein sozialistischer Betrieb gewesen, und die Belegschaft hätte dem Kauf von Monsanto zustimmen müssen. Doch mindestens einer hätte von den Prozessen in den USA schon mal was gelesen und seine Kollegen informiert. Dieser „Deal“ wäre so nicht gelaufen. – Fazit: Wenn die Bayer AG demnächst untergeht, dann wegen zu viel Kapitalismus – und zu wenig Sozialismus. Heinz-Herwig Mascher, Hohen Neuendorf

Ruhigen Kopf bewahren

„Das Unbehagen im Kapitalismus“, taz vom 3. 5. 19

Enteignung und Verstaatlichung großer Konzerne – was da plötzlich die politische Bühne betreten hat, löst Hysterie auf der einen Seite aus und Glücksgefühle auf der anderen, aufseiten der gesellschaftlichen Linken. Dabei ist Vorsicht angesagt: Der Staatssozialismus im Ostblock brachte nicht gerade die Kontrolle der unmittelbaren Produzenten über die Produktion, wie Marx immer gefordert hat. Im Gegenteil, der Staatsapparat erhob seine Herrschaft über die Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums. Es wurde nichts mit der Befreiung von der Lohn­sklaverei.

Die Vorstellung eines Staatssozialismus nannte Friedrich Engels in einem Brief 1894 eine Kinderkrankheit des proletarischen Sozialismus. Zwar hatten Marx und Engels im „Manifest“ noch Forderungen nach Verstaatlichung aufgestellt, aber später (1888) kam Engels zu der Auffassung, dass vieles aus dem „Manifest“ durch den Fortgang der Geschichte und neuer Erkenntnisse, vor allem der Pariser Kommune, überholt sei. In einem Brief an Eduard Bernstein (1881) warnte Engels mit Blick auf die sozialdemokratische Reichstagsfraktion davor, der Bourgeoisie auf den Leim zu gehen: „Es ist eine rein interessierte Fälschung der Manchesterbourgeois, jede Einmischung des Staats in die freie Konkurrenz als ,Sozialismus‘ zu bezeichnen: Schutzzölle, Innungen, Tabaksmonopol, Verstaatlichung von Industriezweigen, Seehandlung, Königliche Porzellanmanufaktur. Dies sollen wir kritisieren, nicht aber glauben.“ Auch bei der jetzigen Debatte empfiehlt es sich, einen ruhigen Kopf zu bewahren. Michael Riese, Alsfeld

Katholische Sozis

„Das Unbehagen im Kapitalismus“

Zu Recht vergleicht Stefan Reinecke Kevin Kühnerts Äußerungen mit der katholischen Soziallehre. Denn diese legitimiert den Kapitalismus nicht. Papst Johannes Paul II. im Jahr 1989: „Der Sieg über den Kapitalismus bedeutet keine Legitimation des Kapitalismus.“ Der Jesuitenpater und Widerständler Alfred Delp legte dem Kreisauer Kreis die katholische Soziallehre dar. Er sprach von einem personalistischen Sozialismus, der dem einzelnen Menschen und der Gemeinschaft gerecht wird. Leider kreist die katholische Kirche heute zu sehr um sich selbst, als dass sie ihre Kapitalismuskritik lauter zum Ausdruck bringen würde. Artur Borst, Tübingen

Und dann wieder Groko

„Ein gigantisches Projekt“, taz v. 4. 5. 19

Liebe Groko, nach dem Wahlergebnis 2017 wurde die SPD zur zweitstärksten Partei gewählt, gleich hinter der CDU. Daraufhin folgte ein weiteres Mal die Groko. Doch schon im November 2017 stellte sich heraus, wer das Sagen in dieser Koalition hat. In der Abstimmung über Glyphosat in der EU war Barbara Henricks (SPD) gegen das Pestizid und Christian Schmidt (CDU) dafür. Laut Koalitionsvertrag hätte sich Deutschland in der Abstimmung enthalten sollen. Bei einer Enthaltung wäre Glyphosat in der EU vollständig verboten worden. Nun hat aber Schmidt ohne Absprache für das Pestizid gestimmt und somit gegen den Koalitionsvertrag.

Im Februar 2019 kam es zur Debatte über Paragraf 219a. Grüne, Linke und auch die SPD waren für die Streichung des Paragrafen. Auch die FDP war für eine Reform. Dagegen waren letztendlich nur AfD und CDU/CSU. Am Ende beschließen die SPD und CDU, dass Ärzte zwar sagen können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, aber nicht über jegliche weitere Information berichten dürfen. Und Frau Giffey vertritt nun eine Meinung, die sie vorher nie geäußert hatte.

Und jetzt die Diskussion über die CO2-Steuer. Svenja Schulze (SPD) hat ein Klimaumweltschutzgesetz erstellt, welches die CO2-Steuer beinhaltet. Der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, will ein neues Konzept vorstellen. Wahrscheinlich ohne CO2-Steuer. Was die Antwort der SPD darauf ist, können wir uns mittlerweile ja schon denken. Lea Dethlefs, Greifswald

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