piwik no script img

Transsexuellengesetz reformieren

Der Staat sollte Transmenschen nicht noch mehr Leid zufügen, sondern ihnen helfen

Von Mo Mayer

Aus meiner Perspektive, also der eines 18-Jährigen, ist es unvorstellbar, dass Homosexualität noch 1980 als krankhaft galt – genau wie Transsexualität. In jenem Jahr trat das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) in Kraft. Das sah vor, dass Menschen, die ihren Personenstand ändern lassen wollten, sich scheiden und operieren lassen mussten, dauerhaft fortpflanzungsunfähig sein mussten und nur neu heiraten durften, wenn sie ihren alten Personenstand wieder angenommen hätten – was wohl kaum jemand wollte.

Heute gilt Homosexualität nicht mehr als krankhaft, Transsexualität schon. Zwar wurden die genannten Punkte im TSG gestrichen, weil sie nicht mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Doch auch heute beinhaltet das Gesetz einiges, was weder zeitgemäß noch sinnvoll ist, sondern schlicht entwürdigend.

Um ihren Geschlechtseintrag zu ändern, müssen Transpersonen einen Antrag bei Gericht stellen. Dem wird nur stattgegeben, wenn Betroffene zwei Gutachten unabhängiger Sachverständiger vorlegen. Gutachter*in kann jede*r sein, die oder der „auf Grund seiner Ausbildung und beruflicher Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut ist“. Das ist viel zu unkonkret. Zudem muss man sich die Frage stellen, welcher Mensch freiwillig all die staatlichen Hürden auf sich nähme, wäre der Leidensdruck nicht enorm und das Ganze ihm nicht wirklich wichtig.

Was außerdem zu bemängeln ist, ist der finanzielle Aufwand für betroffene Personen – die Summe nach dem Gerichtsverfahren kann zwischen 1.000 und 3.000 Euro liegen. Und dann müssen auch noch die neuen Dokumente und Papiere bezahlt werden. Machen es diese Umstände zu einem Privileg, Transgender zu sein? Der Staat sollte Personen, die schon leiden, doch nicht noch mehr Leid zufügen – sondern ihnen helfen.

Im Oktober 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass durch das TSG Intersexuelle in ihren Grundrechten verletzt werden. Vor einem halben Jahr trat deshalb ein längst überfälliges Gesetz zur dritten Geschlechtsoption in Kraft: Neben den Personenstandseinträgen männlich (m) und weiblich (w) gibt es nun auch den Eintrag divers (x) für Menschen mit Varianz in der Geschlechtsentwicklung – also jene, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich verstehen. Die Reform des Gesetzes war nötig, aber längst nicht genug.

Laut dem internationalen Katalog für Krankheiten, dem ICD-10, gilt „Transsexualismus“ als psychische Krankheit. In der neusten Fassung des ICD ist dies jedoch nicht mehr der Fall. Doch leider tritt der ICD-11 offiziell erst 2022 in Kraft. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die Bundesregierung vorhat, das TSG davor zu reformieren. Aber das wäre dringend nötig: Ein*e Gutachter*in kann nicht wissen, welches Geschlecht eine Person hat. Wenn Transsexuelle ihren Personenstand wechseln wollen, steht dem Staat mehr als beratende Unterstützung nicht zu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen