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Erweiterter Radius

Am Freitag beginnt das Gallery Weekend. 45 Galerien sind in diesem Jahr beim offiziellen Programm dabei. Wie immer aus diesem Anlass eröffnen einige Galerien in neuen Räumen. Ein paar Empfehlungen

Von Beate Scheder

Alle Jahre wieder Ende ­April, wenn einem gefühlt in jedem Späti Kunst oder immerhin Künst­le­r*innen begegnen und auf den Straßen auffällig viele schwarze Limousinen unterwegs sind, aus denen gut angezogene Menschen aussteigen, dann steht das Gallery Weekend an, wichtigster Termin im Berliner Kunstkalender. Ein klein wenig geschrumpft ist das offi­zielle Programm in diesem Jahr, was aber nicht bedeutet, dass es zu schaffen wäre, alles zu sehen. Immerhin 45 Galerien stehen auf der GW-Liste – gar nicht zu reden von all den weiteren nicht weniger interessanten Ausstellungen, Talks, Diskus­sions­runden, Buchpräsentatio­nen, Cocktails und Partys, die ebenfalls um die Gunst der ansässigen oder extra angereisten Samm­ler*innen, Kurator*innen, Kri­ti­ker*innen und sonst wie Interessierten buhlen.

Am besten also, man fängt irgendwo an und lässt sich dann treiben. Dem Gender Gap zum Trotz – auf 41 Künstler und zwei männlich besetzte Kollektive kommen in diesem Jahr nur 15 Künstlerinnen – empfehlen sich dabei vor allem die Ausstellungen einer ganzen Reihe spannender junger weiblicher Positionen. Sol Calero, an deren „Amazonas Shopping Center“ im Hamburger Bahnhof sich viele erinnern werden, zeigt ihre erste Berliner Einzelausstellung bei ChertLüdde. Dort ist sie seit Kurzem im Programm. In ihrem neuesten Projekt, „Archivos Olivdados“, widmet sie sich ihrer Großmutter Luisa Hernandez, in deren Haus sie als Kind ihre Sommer verbrachte und von deren Ideen zu Kollektivität und Kunst sie geprägt wurde – Hernandez wurde Künstlerin, nachdem sie ihre Kinder aufgezogen hatte.

Vielversprechend sind auch die Einzelausstellungen von Raphaela Vogel bei BQ, Jana Euler bei Neu und Camille Henrot in der König Galerie. Weniger bekannt ist die Malerin Frieda ­Toranzo Jaeger, die sich bei Barbara Weiss an der maskulin geprägten Erotisierung des Autos sowie an den räumlichen Parametern der Galerie abarbeitet.

Apropos Räume: Fast kann man schon von Tradition sprechen, wenn Galerien zum Gallery Weekend nach einem Umzug neu eröffnen. Diesmal ist es Konrad Fischer. Bereits 2018 präsentierte die Galerie ihr neues Domizil, ein ehemaliges Umspannwerk in der Neuen Grünstraße, damals noch roh, vor dem Umbau. Jetzt ist alles fertig samt Schriftzug von Lawrence Weiner an der Fassade. Und innen bespielt Land-Art-Großmeister Richard Long die frisch renovierten Hallen. Wo bislang Konrad Fischer war, im Galerien­haus an der Lindenstraße, logiert indes KOW und lässt den Auftakt von dem Künstlerduo Clegg & Guttmann gemeinsam mit Franz Erhard Walther bestreiten. Alle drei beschäftigen sich mit Selbstbestimmung, gesellschaftlicher Partizipation und Regeln. Gregor Podnar erweitert den Radius und schlägt in Alt-Moabit seine Zelte neu auf, mit dabei ist die Malerin Anne Neukamp. Ebenfalls noch recht neu sind die Charlottenburger Räumlichkeiten von Wentrup – die Galerie setzt mit Florian Meisenberg und David Renggli auf Malerei – und die im angrenzenden Wilmersdorf von Meyer Riegger. Dort stellt Daniel Knorr aus, was ortsspezifisch und gewiss spektakulär wird. Um Vergänglichkeit, Geschichtsschreibung und die Konstruktion von Vergangenheit soll es gehen.

Passend zum Thema Ort und Immobilien sei zum Abschluss noch auf Fischli und Weiss bei Sprüth Magers hingewiesen. Sein im Maßstab 1:5 konzipiertes „Haus“ präsentierte das Duo erstmals bei den Skulptur Projekten 1987 als Sinnbild der ­traurigen Gewöhnlichkeit spätmodernistischer Architektur – und nun im Holzmodell als Kernstück der Ausstellung in Mitte.

gallery-weekend-berlin.de

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