Nach den türkischen Kommunalwahlen: Erdoğan schweigt

Erdoğan hat bei den Kommunalwahlen Istanbul, das Zentrum seiner Macht, an die Opposition verloren. Doch seine Partei versucht noch immer, das Ergebnis zu drehen.

Staatspräsident Erdoğan hatte die Kommunalwahlen zur Chefsache erklärt Foto: dpa

Am 31. März hat die AKP die Kommunalwahlen in den zwei wichtigsten Metropolen verloren – in Ankara und in Istanbul. Dies ist eine bittere Niederlage für Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Denn Istanbul ist das Zentrum seiner Macht, hier haben ihn die Menschen vor genau 25 Jahren zum Bürgermeister gewählt. Erdoğan laviert deshalb: Er leugnet den Verlust nicht, aber er gesteht ihn auch nicht ein. Er bedankte sich bei seinen Wählern für den Sieg in 15 Großstädten, Istanbul gehörte nicht dazu.

Der Kampf, wer Istanbul regiert, ist damit nicht zu Ende. Der AKP-Kandidat, Erdoğans politischer Gefährte und ehemaliger Ministerpräsident Binali Yıldırım, setzte sich am Wahlabend mit dem Innen- und dem Justizminister zusammen, um eine Strategie auszutüfteln, die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Während sie nach einer Lösung suchten, hörte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu auf, neuere Ergebnisse mitzuteilen. Die Mühe war vergeblich. Die Wahlkommission musste zugeben, dass der Kandidat der Oppositionspartei CHP, Ekrem İmamoğlu, neuer Bürgermeister war. Er hatte 27.889 Stimmen Vorsprung.

Die AKP gab jedoch nicht auf und schrie: „Wahlbetrug!“ In allen Bezirken Istanbuls focht sie das Resultat an. Yıldırım hofft, dass viele der über 300.000 ungültigen Stimmen in gültige umgewandelt werden können, um das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Er ließ entsprechende Banner in der Stadt aufhängen und mobilisierte die AKP-treuen Medien. Die warfen der CHP prompt vor, ein „Urnen-Dieb“ zu sein.

İmamoğlu und sein Team dagegen zeigten sich selbstsicher. Sie sind fest davon überzeugt, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. An der Auszählung sei rechnerisch nicht zu rütteln, heißt es in der CHP.

Gleichwohl ist die Furcht vieler Oppositionswähler*innen berechtigt, Erdoğan könne ihnen den knappen Triumph stehlen. Die Erinnerungen an frühere Wahlen und Volksabstimmungen, die geprägt waren von heftigen Schummeleien, sind noch frisch. Deswegen bewachen CHP-Angehörige und Freiwillige die lokalen Wahlkommissionen.

Erdoğan schweigt derweil, er überlässt den Kampf um Istanbul seiner Partei. Seine Glaubwürdigkeit hat er bei den Oppositionswählern ohnehin längst verloren. Falls es der AKP gelingt, das Ergebnis zu drehen, wird er seine politische Heimatstadt und das Ziel seiner Megaprojekte zurückgewinnen.

Wenn sich aber trotz der Beschwerden und Einmischungen nichts ändert, wäre dies für ihn nicht nur eine Wahlniederlage in Istanbul. Denn Erdoğan weiß: Wer Istanbul verliert, könnte früher oder später die ganze Türkei verlieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Das finden Sie gut? Bereits 5 Euro monatlich helfen, taz.de auch weiterhin frei zugänglich zu halten. Für alle.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.