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Spektakel mit Hintersinn

Fallende Münzen, entschleunigte Drehtüren und Pyrotechnik: In Braunschweig und anschließend in Wolfsburg zeigt der Künstler Malte Bartsch humorvolle Installationen

Von Bettina Maria Brosowsky

Wer sagt denn, dass Kunst keinen Spaß machen darf? Bei Malte Bartsch kann man sicher sein, dass sie es tut. Denn der Berliner Installationskünstler, der aktuell in seiner Geburtsstadt Braunschweig und anschließend in Wolfsburg seine erste große Einzelausstellung absolviert, ist geradezu abonniert auf situative und partizipative Kunstformen, die Besucher*innen herausfordern und meist mit humorvoller Überraschung belohnen.

In der Braunschweiger „Halle267“ geht es schon vor dem eigentlichen Zugang zur Bartsch’schen Gesamtinstallation los. Denn da hängt sein „Coin Drop“, ein umfunktionierter Münzzähler, unter der Decke. Er soll Cent-Stücke auf den Boden abwerfen, wenn die eingebaute Kamera und ein Mini-Computer den entscheidenden Impuls geben. Wie genau das funktioniert, blieb beim Besuch zwar im Unklaren, einige Münzen lagen dennoch auf dem Boden. Und wer will, darf ganz entspannt in einer Sitzgruppe wie am Flughafen, die obligate Grünpflanze in der Mitte, aufs Geschehen warten.

Bartsch hat seine Apparatur mehrmals schon im öffentlichen Raum eingesetzt, ist dann fasziniert davon, dass Menschen sich bücken, um die Münzen aufzuheben. Denn so unterbrechen sie für einen kurzen Moment ihre hektische Alltagsroutine.

Ganz neu hingegen ist die Installation aus Drehtür und Bewegungsmelder, der räumliche Zugang. Kennt man allerorts den trägen Rotationsmodus dieses technischen Ungetüms, so läuft die Tür hier geradezu rasant. Ein Bewegungsmelder reduziert dann beim Zutritt die Geschwindigkeit aufs übliche Maß. Diese Entschleunigung empfindet man ein wenig, als ob die Zeit stehen bleibt. Und sie durchbricht so gleichfalls unsere Erwartungen und Routinen.

Ein großes Interesse des 35-Jährigen, der vor seinen Kunststudien in Braunschweig und Berlin einen Bachelor in Humangeographie und Ökonomie in Utrecht machte, gilt der Pyrotechnik und dem Feuerwerk. Ursprünglich zum barocken Repräsentationsprogramm gehörend, erdachte Bartsch für das Berliner Bürgerfest am letztjährigen Tag der Deutschen Einheit ein demokratisches Feuerwerk – für alle und von allen.

Gefesseltes Feuerwerk

Dazu programmierte er eine Web-App, Interessent*innen konnten einen Raketentyp und den Zeitpunkt des Abschusses im Feuerwerk wählen. In einer chaotischen, zufälligen Choreographie zündeten dann die pyrotechnischen Erzeugnisse in einem bunten, gemeinschaftlichen Kunstwerk von 3.500 Menschen. So zufällig und chaotisch, sagt Malte Bartsch dazu, wie es ja auch die Wiedervereinigung war.

In Braunschweig sind seine Langzeitexperimente mit gefesselten Raketen als Video zu sehen. Ein Gummiband zieht die Flugkörper nach erstem optimistischem Höhenstreben wieder zurück zum Boden. Die Raketen explodieren dann meist kopfüber auf ihrem Weg nach unten, nicht minder ästhetisch, aber eben nicht, wie technisch geplant, schier unendlich himmelsstürmend.

Eine ähnliche Umdeutung erfährt auch ein ausrangierter Geldautomat. Verbrennt der globale Finanzmarkt nach wie vor Geld in unvorstellbaren Mengen, so brutzelt in der Apparatur nur eine kleine Gasflamme, ein Minilagerfeuer zum Händewärmen und Versammeln. Ein archaischer Ort sozialen Miteinanders, wie ihn heutzutage zumeist Tankstellen mit entsprechender Infrastruktur und ihren Versorgungsangeboten zu erfüllen haben?

Man merkt: Malte Bartsch geht mit Hintersinn ans Spektakel. In seiner fortzuschreibenden Ausstellungsreihe „Mensch Macht Maschine“ will der ja durchaus Technikaffine nun auch dem Hype um Digitalisierung und Automation systemkritische Töne entgegensetzen.

In Wolfsburg wird er eine Roboterinstallation realisieren, die bestimmt nicht ökonomischen Effizienzkriterien genügen wird. Denn einem zunehmend selbstreferenziellen System, so wussten es schon die großen Heroen der Moderne, stellt man sich am besten mit dem Moment des Absurden.

„Auto Modus 1“: bis 5. Mai, Halle267 Braunschweig

„Auto Modus 2“: 23. April bis 16. Juni, Städtische Galerie, Wolfsburg

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