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Kicker unter Verdacht

Der Verfassungsschutz wirft Wilhelmsburger Kreisklasse-Fußballern Islamismus vor. Hamburgers Sportverbände müssen nun über die Zukunft des Clubs entscheiden

Fast im Aus: Der Wilhelmsburger Fußballverein Adil e. V. Foto: Stefan Sauer/dpa

Von Marinus Reuter

Zu der Kreisklassen-Begegnung zwischen dem SV Wilhelmsburg und Adil e. V. am übernächsten Sonntag wird es vermutlich gar nicht kommen. Denn am ges­trigen Abend tagte der Hamburger Fußballverband (HFV), Adil e. V. stand auf der Tagesordnung. Und es ist wahrscheinlich, dass der Wilhelmsburger Verein vom Spielbetrieb ausgeschlossen wird. Eine Stellungnahme über das weitere Vorgehen stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Am Dienstagnachmittag waren der Hamburger Sportbund und der Fußballverband durch das Sportamt über den Islamismusverdacht gegenüber ihrem Mitgliedsverein Adil e. V. informiert worden, der vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gegen diesen erhoben wird. Bei diesen Informationen handelt es sich laut der Internetseite der Behörde um ein bereits vorab veröffentlichtes Kapitel des Jahresberichts 2018.

Der Verfassungsschutz teilt mit, er habe 2018 ein bereits älteres Strategiepapier der islamistischen Organisation ­Hizb-ut Tahrir erhalten, aus dem hervorgeht, diese wolle zur Mitgliedergewinnung einen eigenen Fußballverein gründen, den Wilhelmsburger Verein Adil e. V. Dieser wurde im April 2016 gegründet. Heute kickt seine Herrenmannschaft in der Kreisklasse B, momentan auf dem 5. Tabellenplatz. Der Vereinsvorsitzender Achmed E. soll für die Hizb-ut Tahrir im vergangenen Jahr unter dem Label „Realität Islam“ versucht haben, eine Veranstaltung gegen das Kopftuchverbot in Glinde abzuhalten.

Die in Deutschland seit 2003 verbotene Hizb-ut Tahrir setzt sich für die „Vereinigung der weltweiten Ummah“ zum Ziel, in der die Scharia gelten soll. Sie befürwortet die Anwendung politischer Gewalt zum Erreichen ihrer Ziele und verbreite antisemitische Propaganda. In einer Presseerklärung von Januar pflichtet sie der Abschlusserklärung einer durch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt der Religion (Ditib) einberufenen Konferenz bei, die einem „deutschen oder europäischen Islam eine Absage erteilt“. Weiter fordert sie die Muslime in Deutschland auf, sich vom Säkularismus loszusagen und sich gegen staatliche Einflussnahme „entschlossen zu verteidigen“.

Wäre der Verein Adil e. V. also tatsächlich eine kulturelle Vorfeldorganisation der Hizb-ut Tahrir samt personaler Überschneidungen mit den etwa 200 in Hamburg aktiven Mitgliedern, wäre die Mitgliedschaft im Hamburger Fußballverbund mit dessen Statuten unvereinbar. Dieser zählt die Förderung der Vielfalt, der Integration und Toleranz zu seinen Aufgaben.

Marten Malczak, Pressesprecher des Hamburger Sportbunds, sieht in dem Fall „eine neue Qualität“, sollte sich der Verdacht erhärten. Bisher habe es in Vereinen des Hamburger Sportbundes (HSB) nur einzelne Mitglieder gegeben, die radikale Ideologien verbreiteten, aber keine, die eigens zu diesem Zweck gegründeten wurden.

Auch auf der Basis eines Urteils des Bundesfinanzhofes droht dem Verein die Aberkennung der Gemeinnützigkeit

Auf der Basis eines Urteils des Bundesfinanzhofes droht dem Verein die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Die Gemeinnützigkeit wiederum ist jedoch Bedingung für eine Mitgliedschaft im HSB. Es steht dem Finanzamt offen, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, wenn der Verein in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft wird. Das ist aber bisher nicht der Fall, denn im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs könnte es als juristisch fragwürdig erscheinen, ob die sogenannte Vorabveröffentlichung wie einen Verfassungsschutzbericht zu behandeln ist.

Durch die Vorabveröffentlichung des Verfassungsschutzes stehen die Hamburger Sportvereine unter Handlungsdruck.

Der Vereinsvorsitzende von Adil e. V. war gegenüber der Presse zu keiner Stellungnahme bereit.

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