: Zurück aus dem Kalifat
Lange wurde über Rückholungen inhaftierter deutscher IS-Anhänger aus Syrien debattiert, nun erfolgten die ersten. Die 31-jährige Carla S. aus Oberhausen kehrte mit ihren Kindern zurück und wurde sofort verhaftet
Von Konrad Litschko
Seit Wochen läuft die Debatte über Rückholungen von deutschen IS-Anhängern aus syrischer Haft. Auch US-Präsident Donald Trump setzte Deutschland unter Druck. Nun gab es die ersten Rückreisen. „Die Zahl der bereits erfolgten Rückholungen von minderjährigen Kindern nach Deutschland bewegt sich im hohen einstelligen Bereich“, verlautete am Freitag aus dem Auswärtigen Amt. Am Donnerstagabend kehrte die Oberhausenerin Carla S. mit ihren Kindern und mithilfe des Auswärtigen Amtes, von Syrien nach Deutschland zurück – und sitzt nun in Haft.
Die 31-Jährige hatte 2015 ihren deutschen Mann verlassen und war aus Nordrhein-Westfalen mit ihren drei Kindern zum IS nach Syrien ausgereist. Dort lebte sie drei Jahre. Im vergangenen Dezember soll Carla S. von der oppositionellen „Freien Syrischen Armee“ verhaftet worden sein, als sie mit einem Schmuggler versuchte, Syrien zu verlassen. Seitdem saß sie einem nordsyrischen Lager nahe der türkischen Grenze, das unter der Kontrolle der Türkei steht.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte der taz, dass Carla S. am Donnerstag nach Stuttgart einreiste und dort verhaftet wurde. Bereits zuvor habe ein Haftbefehl bestanden. Die 31-Jährige werde nun nach Nordrhein-Westfalen zur Untersuchungshaft überführt. Der Vorwurf gegen sie laute auf Kindesentziehung, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Da eines der inzwischen vier Kinder von Carla S. in Syrien verstorben sei, laute hier die Mindeststrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe. Die Kinder seien nun in Obhut des Jugendamtes.
Auch Mahmut Erdem, der Anwalt von Carla S., bestätigte, dass die Frau über Istanbul nach Stuttgart ausgeflogen wurde. Die türkische Armee habe Carla S. mit ihren Kindern in die Türkei gebracht und dort Vertretern des Auswärtigen Amtes übergeben.
Tatsächlich war das Auswärtige Amt zuletzt intensiv mit dem Fall Carla S. befasst. Auch die Familie der 31-Jährigen hatte sich um deren Rückholung bemüht. Carla S. soll in Syrien mit einem IS-Kämpfer zusammengelebt haben, der zuletzt auch inhaftiert war. Ihr Sohn soll bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein. Auch wegen möglicher Aktivitäten für den IS werde gegen Carla S. noch ermittelt, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft.
Anwalt Erdem begrüßte die Rückholaktion. „Meine Forderung an die Bundesregierung wurde gehört. Nun müssen weitere Rückkehrwillige folgen.“
Das Auswärtige Amt befasst sich noch mit einer Vielzahl weiterer deutscher IS-Anhänger, die in Syrien in Haft sitzen, laut Regierung 61 Personen, zumeist in Kurdengebieten. Am Freitag wurde bestätigt, dass aus dem Irak zuletzt eine Zahl minderjähriger Kinder „im hohen einstelligen Bereich“ zurückgeholt worden sei, unter Zustimmung der Eltern. Sie seien zu hier lebenden Verwandten gebracht worden. Die Verhandlungen mit dem Irak sind leichter, weil Deutschland mit dem Land diplomatischen Kontakt hält, in Bagdad eine Botschaft und in Erbil ein Generalkonsulat betreibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen