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Alte, weiße Gipsgemächte

Müde-lustige Potenzspiele machtgeiler Macker: Für „Rom“ am Hamburger Thalia-Theater hat John von Düffel die drei Römer-Dramen Shapespeares gerafft

Viele schöne Bilder: Die Machtspiele siedelt Bühnenbildner Bachmann auf einer goldenen Wippe an Foto: Krafft Angerer

Von Jens Fischer

Gemächte aus Gips baumeln an den Unterhosen der weiß gepuderten, in Statuengesten gefangenen Figuren, die sich fürs kerlige Jägernatur-Image ein Fell umgeworfen haben. Diese Volkstribune wollen den Plebejern eine Stimme geben im prosperierenden Rom vor 2.500 Jahren. In den „Rom“-Aufführungen des Hamburger Thalia-Theaters wird das Publikum also erst mal in populistischer Manier aufgeputscht. „Zeigt es den satten Herren im Senat“, heißt es, nur ihre eigenen Rechte verträten sie, schlügen sich den Bauch voll, während die Mehrheit hungere.

Die Antwort des Senats aber verschärft das Problem durch Verschleierung. Vorgeschickt wird ein PR-Fachmann, der das Volk fragt, was es denn gegen den Bauch habe? Er sorge doch wie die Regierung dafür, dass alle Glieder des Staatskörpers mit Kraftstoff versorgt würden?

Die Historie ist in solchen Dramen immer das Paradigma, die Gegenwart gilt es als Subtext zu entdecken und zeitgemäß zu präsentieren. So nähert sich Regisseur Stefan Bachmann auch John von Düffels Raffung der Römerdramen Shakespeares – „Coriolan“, „Julius Cäsar“ und „Antonius und Cleopatra“: als Trilogie über den Zustand der Demokratie. Lange als Triumph der Zivilisation gefeiert, ist ihr Ruf heute mies. Von links und rechts tönen Warnungen, sie habe längst ihren Geist aufgeben angesichts all der schnell entflammbaren Menschenmengen mit Demagogen in Führungsrollen.

Schlag nach bei Shakespeare funktioniert da bestens, hat doch kaum jemand dramatisch so intensiv Politik als schmutziges Geschäft analysiert und republikanisches Gedankengut als Mäntelchen beschrieben. Zu verdecken hat es, dass selten edle Ziele, sondern meist Macht, Reichtum und Sex angestrebt werden. Notwendig ist dazu die Korruption Einzelner und der Volksmassen – mit Intrigen, Fake News und Gewalt.

Eitle Männer mit Schwert

Die instabilen Machtverhältnisse symbolisiert Bühnenbildner Olaf Altmann mit einer goldenen Wippe, die sich als Spielplattform hin- und her neigt und die gerade nicht Herrschenden dazu nötigt, die Schräge emporzukraxeln, um den dort stehenden Chef aller Chefs zu töten und selbst ein solcher zu werden.

„Coriolan“ ist der Prolog: Held Coriolan (Thomas Niehaus) soll den gesellschaftlichen Zusammenhang wieder herstellen. Von der Mutter zur Kriegsmaschine erzogen, hat er im Alleingang den italischen Stamm der Volsker besiegt und ist nun als Konsul vorgesehen. Dafür aber braucht der Verächter des Volkes Volkes Zustimmung – und lässt sich von Spin-Doktoren schulen. Star ist er aber nur mit dem grob geschliffenen Schwert, nicht mit der feinen Klinge der Rhetorik. Hündisch und hirnlos ist das Volk für ihn: „Seit wann ist Schwarmdummheit regierungsfähig?“ Da wird er des politischen Feldes verwiesen – trotz aller Sehnsüchte nach dem starken Mann.

Die Bedürfnislagen und Argumentationen sind in der Vorlage ambivalent. Auch Coriolans Hochmut dem wankelmütigen, leicht verführbaren Volk gegenüber hat gute Gründe. Aber Bachmann konzen­triert sich aufs Hauptproblem: Potenzspiele alter, eitler Männer. Und wenn Frauen mitspielen, sind sie keinen Deut besser und werden auch von Männern gespielt – wie schon einst in Shakespeares Globe-Theater.

Nach diesem geradezu Brecht’schen Lehrstück mit chorischen Gesängen wird es noch sprachkonzentrierter. Als Maskenspiel, in glitzernden Businessanzügen, mit großen Stummfilmgesten folgt „Julius Cäsar“. Bachmann fokussiert die Clique um dessen Sohn und Mörder Brutus, die an einer Rechtfertigungslüge für die Legendenbildung vom Tyrannenmord bastelt. Cäsar (ebenfalls Niehaus) werde seine Macht missbrauchen, heißt es, also müsse man ihn rechtzeitig ausschalten. Um die Idee dem Volk zu verkaufen, skandieren die Verschwörer Parolen wie „Erlösung, Frieden, Freiheit“, wollen Stimmung machen.

Aber das ist nur ein Vorwand für die eigene Geltungssucht, was die Trauerrede des Marcus Antonius (André Szymanski) zum Tode Cäsars in virtuos beiläufiger Artikulation offenbart. Er kann dann gleich in sein Drama mit der schönen Ägypterin springen, rafft sich dort mit den Kumpels vom Triumvirat aber noch mal auf, um Verlautbarungsgeschwätz einer Regierungskoalition zu formulieren: „Wir müssen jetzt mit einer Stimme sprechen.“

Alle Protagonisten sind nun nur noch Karikaturen im von Liebe, Drogen, Wohlstand berauschten Leben. Die Szenen schleppen sich müde lustig dahin, bis Cleopatra über Männermachtlust lamentiert. Viel mehr hat die Inszenierung inhaltlich nicht zu bieten. Aber Bachmann stellt viele schöne Bilder, das Ensemble ist eine Wucht und drei Dramen in unter drei Stunden sind eine kunsthandwerklich-dramaturgische Machtdemonstration, die beeindruckt.

Di, 2. 4., 19 Uhr, Thalia-Theater, Hamburg. Weitere Aufführungen: 6.,7. + 29. 4. sowie 2. + 9. 5.

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