: Blau-Weiß mischt die Wahl auf
Aus Jerusalem Susanne Knaul
Die israelische Parlamentswahl am 9. April verspricht spannend zu werden: Laut Umfragen liegt das Bündnis Blau-Weiß (Kachol-Lavan) mit 30 von 120 möglichen Mandaten in der Knesset nur knapp vor dem Likud mit 28. Nicht nur für Regierungschef Benjamin Netanjahu war das Zusammengehen des früheren Generalstabschefs Benny Gantz mit dem populären Ex-TV-Moderator Jair Lapid zu Blau-Weiß fatal. Das neue Bündnis lockt Wähler, die bisher für die Arbeitspartei stimmten oder für die rechtsliberale Wir alle (Kulanu), die von 10 auf nur noch fünf Mandate fiel.
Noch ist alles offen, denn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten sind noch immer unentschlossen. Zudem wird Staatspräsident Reuven Rivlin nicht unbedingt den Chef der stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragten, sondern den Politiker, der die besten Chancen für eine regierungsfähige Koalition hat. Und das werden Netanjahu oder Gantz sein. Andere Aspiranten wie Bildungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked, die sich von der nationalreligiösen Siedlerpartei trennten, um mit ihrer Neuen Rechten (HaJamin hachadasch) auch die weltliche Wählerschaft für sich zu gewinnen, spielen voraussichtlich keine Rolle. Schlagzeilen machte die Partei jüngst nur noch mit einem Skandalvideo, das Schaked zeigt, wie sie sich mit einem fiktiven Parfüm namens Faschismus besprüht.
Die Spaltung der Siedlerpartei führte zu einem neuen Bündnis rechts-außen. Avigdor Lieberman, ehemals Außen- und Verteidigungsminister, schloss sich mit seiner Partei Israel ist unser Heim (Israel Beteinu) der offen rassistischen Jüdischen Kraft (Otzma Jehudit) an, um sicherzustellen, dass er die 3,25-prozentige Sperrklausel schafft. Beide Listen sind Koalitionskandidaten für Netanjahu, der für seinen umstrittenen „Nichtangriffspakt“ mit den Extremisten während des Wahlkampfs im In- und Ausland scharf kritisiert wurde.
Eine Katastrophe zeichnet sich für die Arbeitspartei ab, die bei derzeit nur noch 8 Mandaten liegt. Bei den Wahlen 2015 traten die Sozialdemokraten im Bündnis mit der früheren Justizministerin Zipi Livni an, mit der zusammen sie 24 Mandate erreichten. Livni, die aus Sorge um den „jüdischen und demokratischen Staat Israel“ zuletzt Friedensverhandlungen mit den Palästinensern führte, nahm Mitte Februar Abschied von der Politik. Damit zog sie die Konsequenz aus dem überraschend und unilateral von Avi Gabai, Chef der Arbeitspartei, angekündigten Ende der Allianz.
Die Vereinte Liste der arabischen und antizionistischen Parteien stellte bislang mit 13 Mandaten die drittgrößte Fraktion in der Knesset. Wie die arabischen Parteien am 9. April abschneiden, wird sehr davon abhängen, in welchem Umfang die arabische Minderheit an den Wahlen teilnimmt.
Neu im Rennen ist die Partei Sehut (Identität), die einerseits radikal gegen gleiche Rechte für die arabische Minderheit in Israel eintritt, andererseits die Legalisierung von Marihuana fordert.
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