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Betriebsrat – ja, aber bitte nicht hier

65 Ortskräfte der spanischen Botschaft wollen einen Betriebsrat wählen – doch so einfach ist das nicht

Von Marina Mai

Wenn die 65 nichtdiplomatischen Mitarbeiter der spanischen Botschaft in Berlin am Donnerstag ihren Betriebsrat wählen, müssen sie dazu in ein mobiles Wahllokal gehen, das die Gewerkschaft Verdi auf dem Parkplatz vor dem Botschaftsgebäude am Tiergarten aufstellt. Von 13 bis 15 Uhr ist dort geöffnet. Der Grund: Botschafter Ricardo Martinez hat die Wahl innerhalb des Botschaftsgebäudes untersagt. Andreas Kuhn von Verdi kommentiert gegenüber der taz: „Das ist eines Rechtsstaates und besonders einer linken sozialdemokratischen Regierung unwürdig.“

Die sogenannten Ortskräfte der Botschaft, also das nichtdiplomatische Personal, unterliegen deutschem Arbeitsrecht. Mit dieser Begründung werden ihnen die spanischen Tarife für den öffentlichen Dienst verweigert. Die noch deutlich höheren deutschen Tarife selbstverständlich auch.

„Diese absurde Situation spiegelt die arbeitsrechtliche Grauzone wider, in der sich das nichtdiplomatische Personal der ausländischen Vertretung befindet“, sagt Andreas Kuhn von Verdi. „Nach jahrelangen Forderungen und vergeblichen Versuchen, eine klare Zuordnung zu erreichen, fordern die Angestellten nun einen Betriebsrat, so wie ihn das Betriebsverfassungsgesetz in Deutschland vorsieht.“

Laut Sörine Lasche, der Sprecherin der spanischen Botschaft, widerspreche ein Betriebsrat nach deutschem Recht allerdings dem spanischen Recht. Ihr zufolge unterliege „die Regelung aller Aspekte hinsichtlich der Vertretungsorgane den spanischen“ und nicht den deutschen Behörden und Gewerkschaften. Derzeit fänden „Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Vertretern der spanischen Verwaltung“ über die Bildung von Vertretungsorganen statt. Ihre Botschaft achte und fördere das Recht auf gewerkschaftliche Vertretung. Für das verbeamtete Personal gebe es Gewerkschaftswahlen.

Verdi-Mann Kuhn sieht das jedoch anders. Er hält seine Gewerkschaft für die Ortskräfte durchaus für zuständig. „Die Verschanzung hinter der Exterritorialität und der diplomatischen Immunität“, so Kuhn, werfe die Frage auf, „inwieweit dies unter Mitgliedsländern der EU noch eine Berechtigung hat“.

Konkreter Anlass der Unzufriedenheit der Mitarbeiter ist, dass sie laut EU-Recht in Zukunft ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr in Spanien, sondern in Deutschland zahlen müssen. Die sind hier aber deutlich höher.

Laut Kuhn drohen damit Verluste des Nettoeinkommens von bis zu 400 Euro, die seiner Meinung nach der spanische Staat ausgleichen müsse. Botschaftssprecherin Sörine Lasche schiebt den Schwarzen Peter wiederum Deutschland zu. Ihre Regierung habe mit Deutschland darüber verhandelt, dass die Ortskräfte in der spanischen Sozialversicherung verbleiben könnten, wenn sie das wollten. Die Verhandlungen seien erfolglos gewesen.

Verdi beklagt aber auch das Arbeitsklima in der spanischen Botschaft. So würden etwa Sachbearbeiter, Übersetzer und Bürokräfte willkürlich als Pförtner eingesetzt.

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