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Artenschwund am Hamburger Himmel

Die Rote Liste der bedrohten Brutvögel wird in Hamburg immer länger: Auch Star und Spatz stehen jetzt vor dem Aussterben. Nur Amseln, Tauben und Meisen geht es noch richtig gut

Von Sven-Michael Veit

Dem Spatz geht es schlecht. Und dem Star ebenfalls. Die beiden Singvögel, die jahrzehntelang in großer Zahl in Hamburg lebten, sind jetzt offiziell in ihrem Bestand gefährdet. Als erste deutsche Großstadt hat Hamburg sie jetzt auf die neue „Rote Liste gefährdeter Arten“ aufgenommen. „Besorgniserregend“ nannte das Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag im Rathaus bei der Vorstellung des vierten Brutvogelberichts.

Der dritte Bericht von 2007 hatte noch 29.000 Brutpaare des Haussperlings und 13.000 Starenpaare nachgewiesen, jetzt sind die Bestände um fast die Hälfte gesunken: Nur noch 16.000 Spatzenpaare und 7.800 Starenpaare brüten in Hamburg. Diese Verluste seien „historisch ohne Beispiel“, sagte der Vogelkundler Alexander Mitschke, der den Brutvogelbericht im Auftrag der Umweltbehörde erstellt hat. In den 1960er-Jahren hätten noch fast 60.000 Spatzenpaare in der Hansestadt gebrütet: Der Haussperling, eine klassische Stadtvogelart, steht vor dem Aussterben.

Das gleiche Schicksal droht dem Kiebitz oder der Feldlerche ebenso wie der Löffelente, dem Rotmilan oder dem Steinkauz. Kaum besser steht es um Kleinspecht, Rohrweihe oder Waldohreule. Auf der Vorwarnliste zur Roten Liste finden sich unter anderem Weißstorch, Kuckuck, Nachtigall oder Wacholderdrossel, als ausgestorben gelten 24 Arten, darunter der Brachvogel, die Haubenlerche und die Zwergseeschwalbe.

Insgesamt wird ein Viertel der regelmäßig in der Hansestadt brütenden Vögel als gefährdet eingestuft. Dabei ist der Bestand derzeit höher als 2007: Waren es damals 415.000 Brutpaare, so beherbergt Hamburg nun mit 450.000 Brutpaaren die höchste Zahl aller deutschen Großstädte und wird somit seinem Ruf als „grüne Stadt“ durchaus gerecht – „noch“, sagt Kerstan: „Bei aller Freude über die große Zahl an Brutvögeln blicken wir mit Sorge auf den dramatischen Schwund bei einzelnen Arten.“

Dafür gibt es vor allem zwei Ursachen: die Verschlechterung oder Zerstörung von Naturräumen, vor allem von Feuchtgebieten, Auen, Mooren und Sümpfen sowie die Nahrungsknappheit durch Insektensterben. Das wiederum hängt in erheblichem Maße von der zunehmenden Artenarmut in Gärten, Kleingärten, Hinterhöfen und Grünanlagen ab.

„Ehemals blüten- und damit insektenreiche Pflanzen und Flächen für Gemüse- und Obstanbau sind artenärmeren und sauberen Ziergärten und pflegeleichten Grünanlagen gewichen“, klagt Kerstan. Wünschenswert wäre es, „wenn auch Privatgärten wieder naturnäher angelegt würden“, auch Gründächer seien hilfreich sowie Nisthilfen in Bäumen und an Gebäuden. Wichtig sei zudem ein funktionierender Biotopverbund, in dem Vögel und andere Tiere innerhalb verschiedener Grün- und Naturbereiche gut wandern und wechseln könnten.

Immerhin seien bereits 23 Prozent der Hamburger Fläche als Biotope gesichert, eine Erweiterung indes, welche die Umweltbehörde anstrebe, „erfordert viele und lange Diskussionen mit anderen Behörden“ räumte Kerstan ein. Speziell die Stadtentwicklungs- und die Wirtschaftsbehörde hätten, so ließ er durchblicken, mitunter andere Prioritäten.

„Die wachsende Stadt geht auf Kosten der Nahrungsgrundlagen und Nistmöglichkeiten für die Vogelwelt“, kommentiert der Hamburg-Chef des Umweltverbandes BUND, Manfred Braasch, die neue Rote Liste. „Ohne eine grundlegende Umkehr vor allem in der Siedlungspolitik werden viele weitere Arten aus Hamburg verschwinden“, befürchtet er.

Auch der Naturschutzbund (Nabu) fordert „mehr Schutz für Gebäudebrüter und Feldvögel“. So werde das Neubaugebiet Oberbillwerder mit einer Fläche von 130 Hektar mehr als 90 Brutstandorte von Feldlerchen, Wiesenschafstelzen, Wiesenpiepern, Kiebitzen und Wachtelkönigen ersatzlos vernichten.

Doch auch in der Hamburger Vogelwelt gibt es Gewinner. Der Seeadler hat sich mit drei Brutpaaren relativ neu in Hamburg angesiedelt, der Bestand des Eisvogels ist nach der Renaturierung von Bächen von 20 auf 80 Brutpaare gestiegen, beim Mittelspecht, der naturbelassene Wälder schätzt, sogar von 35 auf 150 Paare. An der Spitze der ungefährdeten Arten indes ist von ganz anderen Zahlen die Rede: Die häufigsten Brutvögel sind Ringeltauben (27.000 Paare), Blaumeisen (35.000), Kohlmeisen (39.000) und 69.000 Amselpaare.

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