zwischen den rillen
: Blues im verheerten Land

Hozier: „Wasteland, Baby!“ (Universal Music)

Der Himmel über Dublin ist grau und wolkenverhangen. Orkanartige Böen peitschen Regen durch die Straßen. Die Welt, könnte man meinen, geht gleich unter. Wenn jetzt jemand den Folkrocker Hozier in dieser Kulisse filmen würde, hätte er den perfekten Videoclip für den Titelsong seines zweiten Albums „Wasteland, Baby!“: Diese Theorie leuchtet dem Künstler sofort ein, als er endlich in seiner Garderobe im Olympia Theatre sitzt. Das Unwetter hat den Verkehr in Dublin beinahe lahmgelegt, darum kam er nicht problemlos aus seinem Heimatdorf in der Grafschaft Wicklow in die irische Hauptstadt.

Trotzdem braucht der 28-Jährige nur wenige Minuten, um sich für das Interview zu sammeln. Es gibt unzählige Dinge, die er über seine Lieder zu erzählen hat. Warum sie meistens so düster sind? Weil Hozier in den Nachrichten immer wieder mit irgendwelchen Horrormeldungen konfrontiert wurde. Als Donald Trump US-Präsident wurde, begann für ihn verständlicherweise ein Albtraum. Er hadert mit dem Brexit. „Ich hatte oft das Gefühl, das Ende der Welt stünde unmittelbar bevor. Das hat mein Album natürlich geprägt.“

Besonders das Stück „Wasteland, Baby!“. Auf folkigen Schwingen gleitet der Ire da durch ein finsteres Szenario. Mit rauer Stimme wispert er: „When the stench of the sea and the absence of green / Are the death of all things seen and unseen“. Sein Weltschmerz lässt die HörerInnen gewiss nicht kalt.

„As it was“ ist eine weitere Folkhymne, die Hoziers Liebe zur akustischen Musik auf intimste Weise Ausdruck verleiht. Mit „To Noise Making (Sing)“ gelangt er bei einem Mix aus Soul und Gospel an – vorerst. In „Almost (Sweet Music)“ schwelgt der Ire in Erinnerungen an berühmte Jazzmusiker wie Chet Baker und Duke Ellington. Ledriger Bluesrock bildet die Basis für den Titel „Be“, der die Probleme der Gegenwart heraufbeschwört – von der Flüchtlingskrise bis zur nuklearen Bedrohung. Ein klassischer Protestsong? Hozier verneint: „Ich will einfach glaubwürdige Songs komponieren. Sie reflektieren das, was um mich herum passiert: Hass, Gier und Gewalt.“ Aber er glaubt nicht, dass Musiker tatsächlich die Welt verbessern können: „Wie sollen die Songs, die sich für gewöhnlich in den Top Ten der Charts tummeln, die Menschheit retten? Wer sich an diese Hoffnung klammert, muss vollkommen naiv sein.“

Für Hozier ist es das Wirksamste, selbst aktiv zu werden. Als der Papst in Dublin war, nahm er an der Stand-For-Truth-Protest-Rally teil, um auf den Missbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam zu machen. Ebenso demonstrierte er für ein liberaleres Abtreibungsrecht in Irland: „Ich halte es für meine Bürgerpflicht, gegen das Stellung zu beziehen, womit ich nicht einverstanden bin.“ Mit dieser Haltung fährt er auch als Künstler ziemlich gut – obwohl er sich dem Etikett Protestsänger beharrlich verweigert. Sein Hit „Take Me to Church“ katapultierte Hozier 2014 nicht bloß in die Charts, mit dem Video forderte er mehr Toleranz für gleichgeschlechtliche Liebe. Irische Katholiken störten sich nicht an seinem Kampf gegen Homophobie, zumindest nicht offiziell, reaktionäre US-Amerikaner schon: „Die negativsten Kommentare kriegte ich aus den USA.“

Diese Schelte ließ er an sich abprallen. Er zog sich monatelang wie ein Eremit zurück. Mit dem Ziel, sich allein auf seine Musik zu konzentrieren. Zu entdecken gibt es dementsprechend viel auf seinem Album. Es stellt unter Beweis, dass Hozier mehr ist als bloß ein gut vermarkteter Künstler. Einzig „Dinner & Diab­tribes“, eine Uptempo-Nummer über eine recht fade Dinnerparty, passt nicht so recht ins Bild. Auf dieses banale Geschwätz hätte Hozier ruhig verzichten können.

Dagmar Leischow