Hannes Koch über Hubertus Heil und das Sorgfaltsgesetz: Entspannung für Unternehmen
Jetzt mal ganz langsam. Die SPD existiert schließlich seit 1863. Da kommt es auf ein paar Jahre wirklich nicht an. Arbeitsminister Hubertus Heil hat den Gesetzentwurf für Sorgfaltspflichten von Unternehmen abmoderiert. Ob der nun 2019, 2020 oder gar nicht beschlossen wird, scheint dem SPD-Politiker nicht so wichtig.
Einen merkwürdigen Auftritt hat Heil während der Tagung zu Sozialstandards in ausländischen Zulieferfabriken hingelegt. Während seiner leidenschaftslosen Rede war das Schnarchen im Saal deutlich zu hören. Zwischen den Zeilen schwang der „Wir haben verstanden“-Ton von Gerhard Schröder mit. Bloß den Firmen nicht auf die Füße treten.
Unternehmen mit Sitz in Deutschland wären verpflichtet, die Umwelt- und Sozialstandards in ihren ausländischen Zulieferfabriken deutlich zu erhöhen – darauf läuft der Gesetzentwurf aus dem Entwicklungsministerium von Gerd Müller (CSU) hinaus. Was sagt Heil dazu? Für Sommer 2020 plant er eine EU-Initiative zum Thema.
Sicherlich wäre eine EU-Regelung besser als nur nationales Recht. Denn die Unternehmen beschränken sich ebenfalls nicht auf Deutschland. Sie machen ihre Geschäfte europa- und weltweit. Im Falle des Sorgfaltspflichtengesetzes könnte der Weg über Europa aber deutlich länger dauern als ein nationales Gesetz. Warum dann nicht erst mal die schnellere Variante?
Selbst CSU-Politiker Müller ist griffiger als Heil. Dem geht es mittlerweile sichtbar auf die Nerven, dass die Firmen ihn immer wieder vertrösten. Doch auch Müller will nichts überstürzen. Die Union ist ja schätzungsweise auch in der nächsten Regierung vertreten, ab 2021. Für die SPD aber dürfte das Gegenteil zutreffen. Heil verspielt eine Chance, die nur jetzt besteht.
Die Befürworter*innen des Gesetzes in Menschenrechtsverbänden und Ministerien finden es toll, dass es den Entwurf gibt. Ein Fortschritt, sagen sie. Aber sie sollten sich nicht zu früh freuen. Bei solchen Sozialpolitikern kann man sich als Unternehmer echt entspannen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen