: David gegen Goliath 0:1
Das Verwaltungsgericht erklärtdie Klage der Rigaer 94 gegen den Polizeieinsatz von 2016 für unzulässig
Von Plutonia Plarre
Die Rigaer Straße 94 gegen das Land Berlin – der Prozess vor dem Verwaltungsgericht am vergangenen Freitag versprach spannend zu werden. David gegen Goliath. Der zu dem autonomen Wohnprojekt gehörende Verein „Freunde der Kadterschmiede“ hatte auf Feststellung geklagt, dass der Polizeieinsatz am 22. Juni 2016 rechtswidrig war. Denn nur weil damals 300 Polizisten den Handwerkern des Eigentümers den Weg in das Haus geebnet hatten, war es zur Teilräumung des Wohnprojekts in Friedrichshain gekommen. Aber die Spannung im Prozess war schnell raus: Ohne sich inhaltlich näher mit dem Einsatz zu befassen, wies die Erste Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts die Klage der Rigaer 94 als unzulässig ab.
Dabei steht längst außer Zweifel, dass die Teilräumung rechtswidrig war. Das Landgericht hatte das in einem Beschluss, der seit 2018 rechtskräftig ist, festgestellt. Aber dabei handelte es sich um ein Zivilrechtsverfahren – Rigaer 94 gegen den Hauseigentümer, genauer: die britische Briefkastenfirma Lafone Investments Ltd. Wer genau sich dahinter verbirgt, ist nach wie vor nicht bekannt.
Wenn es um behördliches Handeln geht, ist das Verwaltungsgericht zuständig. Um über die Polizei zu obsiegen, müssen dabei hohe Hürden genommen werden. Denn einen generellen Anspruch auf Überprüfung einer „erledigten Maßnahme“ der Verwaltung gibt es nicht. Nur wenn an einer derartigen gerichtlichen Feststellung ein besonderes, zukunftsgerichtetes Interesse besteht, gibt es einen Anspruch. Insbesondere dann, wenn Wiederholungsgefahr besteht, ein „Amtshaftungsanspruch“ oder ein „Rehabilitationsinteresse“ vorliegt. Schon viele Bürger, die Opfer willkürlicher Polizeiaktionen – bei Demonstrationen und Ähnlichem – wurden, sind an dieser Hürde gescheitert.
Auch den Rigaern erging es am Freitag so, wenngleich sich ihr Anwalt, Ralph Monneck, redlich mühte. Es gebe allerhand Gründe, von einer Wiederholungsgefahr auszugehen, so Monneck. Aus den Akten gehe klar hervor, dass die Polizei im Vorfeld und bei der Räumung selbst eine überaus aktive Rolle gespielt habe. Nachdem sie sich offiziell keinen Zugang zur Rigaer 94 hatte verschaffen können, habe sie sich zum „Erfüllungsgehilfen eines privaten Eigentümers“ gemacht. „Was, wenn das Schule macht?“ Man solle sich doch nichts vormachen, so Monneck: „Es wird wieder Zeiten geben, wo es wegen Hausbesetzungen hoch hergeht.“
Der Prozessvertreter der Polizei, Markus Goegies, hatte in Erwiderung auf die Klageschrift vorgetragen, der Polizeieinsatz sei zum Schutz der vom Eigentümer beauftragten Handwerker erfolgt. Aus Sicht der Polizei sei das keine Räumung gewesen. Wenn jemand ein Rehabilitationsinteresse habe, so Goegies am Freitag, sei das die Polizei, nicht die Riager 94. Denn die Behörde habe sich wegen des Einsatzes immer wieder öffentlich „rechtfertigen“ müssen.
Anwalt Monneck monierte, die Polizei habe immer noch nicht alle den Vorgang betreffenden Akten offengelegt. Erst vor vier Tagen, so Monneck, sei ihm Videomaterial vom Einsatz ausgehändigt worden. Es zeige ins Haus stürmende und in alle Richtungen ausschwärmende Beamte, 20 oder 30 an der Zahl. Von Handwerkern sei nichts zu sehen, dann aber zu hören, wie über Funk mit dem Wort „Besetzt“ Vollzug gemeldet werde. „Wenn Sie vortragen, nur zum Schutz da gewesen zu sein, warum besetzen Sie dann?“, fragte Monneck.
Schon während der mündlichen Erörterung wurde klar, dass das Verwaltungsgericht ihm nicht folgen würde. Es gehe nicht darum, allgemeines Handeln der Polizei zu bewerten oder künftigen Polizeieinsätzen in der Rigaer Straße vorzubeugen, sagte der Vorsitzende Richter Wilfried Peters schließlich bei der Urteilsverkündung. Es gehe um den ganz konkreten Fall. Das, was am 22. Juni passiert sei, werde sich nicht wiederholen – weil durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts eine maßgebliche Lageveränderung eingetreten sei.
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