: Polnische Frauen haben es schwer in der Politik – trotz einer Quote für Wahllisten
In Polen stehen Politikerinnen so oft im Scheinwerferlicht, dass viele den Eindruck haben, dass die Chancengleichheit von Mann und Frau hier längst erreicht ist. Doch der Schein trügt. Premierministerin Beata Szydlo von der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) etwa musste nach nur anderthalb Jahren einem Parteikollegen weichen. „Die Brosche“, wie die burschikose Politikerin oft verächtlich genannt wurde, wurde von einem Tag auf den anderen kaltgestellt. Ähnlich erging es schon ihrer Vorgängerin Ewa Kopacz von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO).
Zwar gelang es den Polinnen schon vor Jahren, ein Quotensystem von je 35 Prozent für Frauen auf den Wahllisten der Parteien zu erkämpfen. Doch die Listenplätze wurden im Gesetz nicht festgelegt. So landen Frauen meist auf den unteren Plätzen und gehen bei den Wahlen leer aus. Zurzeit sind 27 Prozent der polnischen Abgeordneten Frauen, ein Rekord.
Malgorzata Gersdorf wiederum, die Präsidentin des Obersten Gerichts in Warschau, wollte sich keineswegs politisch engagieren, sondern einfach nur die Unabhängigkeit der RichterInnen gegen ein Gesetz der PiS verteidigen. Am Ende bekam sie vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg recht und stieg zur Symbolfigur der liberalen Opposition in Polen auf.
Das Engagement von Gersdorf machte vielen Polinnen erneut klar, wie wichtig der Faktor Bildung bei der beruflichen Gleichstellung von Männern und Frauen ist. Je höher der Bildungsgrad, desto weniger Unterschiede gibt es bei der beruflichen Aktivität und der Höhe des Gehalts. Dies zeigt eine Studie des Hauptstatistikamtes in Warschau von 2018. Frauen verzichten aber trotz insgesamt höherer Bildung öfter auf eine berufliche Karriere. Knapp 80 Prozent der nicht berufstätigen Polinnen im Alter von 25 bis 45 Jahren geben an, wegen der Erziehung der Kinder zu Hause zu bleiben. Die zunehmende Emanzipation der Männer macht sich hier noch nicht bemerkbar.
Allerdings gibt es vonseiten der Regierung auch fast keine finanzielle Unterstützung für Männer, die ihre Kinder betreuen wollen. Das klassische Rollenbild – der Mann geht zur Arbeit und ernährt die Familie, und die Frau kümmert sich um Haus und Kinder – ist nach wie vor weit verbreitet.
Gabriele Lesser
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