: Spät oder nie
Der lange Weg der Gerechtigkeit
Mord verjährt nicht. Das beschloss der Deutsche Bundestag im Jahr 1979 nach jahrelangen Diskussionen. Das Ende der Verjährung wurde auch mit der Möglichkeit begründet, dass im anderen Fall Nazi-Täter ungeschoren davonkommen könnten. In Fällen von Beihilfe zum Mord galt allerdings sehr lange das Prinzip, dass eine Verurteilung nur dann möglich ist, wenn dem Beschuldigten konkrete Mordtaten zugeordnet werden können.
Jahrzehntelang entgingen deshalb die allermeisten Nazi-Verbrecher der Strafverfolgung. Denn nur in den seltensten Fällen konnten sich Zeugen daran erinnern, dass ein Beschuldigter einen konkreten Mord begangen hatte. Und die allermeisten Augenzeugen waren selbst Opfer der NS-Mordmaschine.
Deshalb schrieb das Landgericht München 2011 Rechtsgeschichte, als es Iwan Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen zu fünf Jahren Haft verurteilte. Der Beschuldigte war als ukrainischer SS-Helfer im Vernichtungslager Sobibor tätig gewesen. Das Gericht urteilte, dass allein sein Dienst in dem Vernichtungslager dazu beigetragen habe, Juden systematisch zu ermorden.
Allerdings wurde das Urteil nichts rechtskräftrig, weil Demjanjuk 2012 verstarb, bevor über eine Revision entschieden werden konnte. Das gelang erst im Fall von Oskar Gröning, einem SS-Wachmann in Auschwitz, der 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verurteilt worden war. Analog zum Fall Demjanjuk hatten die Lüneburger Richter entschieden, dass eine einzelne Tatbeteiligung für eine Verurteilung nicht nachgewiesen werden müsse.
Der Bundesgerichtshof bestätigte 2016 in der Revision das Urteil und damit den Rechtsgrundsatz, dass alleine der Dienst in einem NS-Vernichtungslager als Beihilfe zum Mord gewertet werden kann. Hanning sei der Beihilfe zum Mord schuldig. Der Verurteilte verstarb im Jahr 2018, ohne seine Strafe angetreten zu haben.
Klaus Hillenbrand
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