heute in hamburg: „Krieg wird wieder salonfähig“
Protestaktion des Bündnisses „Bildung ohne Bundeswehr“ bei der Jobmesse „Einstieg“ in den Messehallen, am Eingang Halle B6 Süd
Interview Alina Essberger
taz: Ist die Bundeswehr eine normaler Arbeitgeberin?
Chris Kramer: Definitiv nicht. Indirekt und direkt geht es ums Töten. Das Kriegeführen ist doch genau das, was einen zum Soldaten oder zur Soldatin macht. Außerdem muss man in diesem Beruf auf wesentliche Grundrechte verzichten. Ein normaler Beruf sieht für mich anders aus.
Woher nehmen Sie das Durchhaltevermögen, bei jeder Veranstaltung der Bundeswehr aktiv zu sein?
Es ist nicht schwer, Motivation dafür zu finden. Es wird in Deutschland eine ziemlich aktive Militarisierung betrieben. Krieg wird wieder salonfähig gemacht und offensive kriegerische Werbung oder Aussagen treffen auf viel weniger Empörung, als sie müssten.
Ist die Jobmesse ein wichtiger Ort für Ihren Widerstand?
Ja. Wir möchten junge Menschen ansprechen, da sich die Bundeswehr in ihrer Werbung einseitig besonders an die Jugend richtet. Sie nutzen die Perspektivlosigkeit, einen Arbeitsplatz zu ergattern. Studien- und Ausbildungsangebote beim Bund sind sehr gut bezahlt – aber mit viel Kleingedrucktem. Keiner sollte sich verpflichten müssen, nur um seinen oder ihren Wahlberuf erlernen zu können.
Stellen Sie angesichts steigender Kriegsgefahr bei Jugendlichen eine veränderte Sicht auf die Bundeswehr fest?
Für viele ist Krieg immer noch sehr abstrakt und weit weg. Aber die steigende kriegerische Gefahr wird zunehmend wahrgenommen. Ein politisches Bewusstsein jedoch, dass es auch anders sein könnte, ist nicht da.
Chris Kramer, 30, ist Mitglied des Bündnisses „Bildung ohne Bundeswehr“ und aktiv in der Friedensbewegung in Hamburg.
Kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen oder Konfrontationen mit der Bundeswehr?
Die meisten Jugendoffiziere und Werbebeauftragten sind immer freundlich. Jedoch kommt es auch zu Pöbeleien. Besonders online werden wir von jungen SoldatInnen zum Beispiel als verweichlichte linke Zecken beschimpft. Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es mit Feldjägern auf dem Hafengeburtstag 2017 auch.
Stoßen Sie auf Verständnis bei Messen?
Es gibt immer viel positives Feedback. Wir merken jedoch auch, dass die viele Propaganda der Bundeswehr natürlich nicht spurlos an den Jugendlichen vorbei geht und ein verdrehtes Verständnis von Krieg geschaffen hat. Oft braucht es aber nur einen Denkanstoß, um Schüler zum Hinterfragen an zu regen.
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