: Verse, Videos und Vinyl
Avantgarde-Minimal-Rock und bildende Kunst kommen beim Projekt The Present Square zusammen – heute stellen die Künstler_innen im Kombinat für Text und Bild ihre Arbeit vor
Von Mira Nagel
Zwei Jahre ist es her, dass Lorina Speder zu ihrer ersten Asienreise aufbrach. Die Berliner Künstlerin erinnert sich nun zurück an ihren ersten Abend in Ginza, einem quirligen Ausgehviertel in Tokio: Überwältigt und fasziniert von den fremden Eindrücken, versucht sie – ohne ein Wort Japanisch zu sprechen –, Sushi zu bestellen. Aus diesem „Lost in Translation“-Moment“, wie ihn die Künstlerin bezeichnet, hilft ihr eine koreanische Frau: Auf Englisch gibt sie ihr einen Einblick in japanische Gepflogenheiten.
Diese Momentaufnahme, über die Speder mit Tinte und Filzstift reflektiert hat, ist Teil von „The Present Square Project“. Das Kunstprojekt, das die Künstlerin und freie Autorin gemeinsam mit dem Konzeptkünstler Milo Frielinghaus erarbeitet hat, wird heute Abend im Kombinat für Text und Bild in Mitte vorgestellt. Unter dem Titel „Berlin/Japan“nimmt sie flüchtige Momentaufnahmen von Erlebnissen in den Fokus, die sie während ihrer Aufenthalte in Korea und Japan hatte und an die sie sich sehr subjektiv in ihren Zeichnungen erinnert. Wie etwa die eingangs erwähnte Erinnerung an ihren ersten Abend in Tokio: „Ich beobachte unglaublich gerne, und da konnte ich diese spezielle Stimmung in Japan aufgreifen“, erzählt die lebhafte Künstlerin, der die lockigen Haare bis auf die Schultern fallen. Speder sagt, sie hege generell eine Neugierde auf fremde Kulturen, die jeweiligen Sitten und Gepflogenheiten. Sie selbst arbeitete eine Zeitlang in New York, lebte über ein Jahr in Italien und reiste viel durch Europa und Asien.
Gegensätzliche Konzepte ziehen sich an
Dass es ihr bei den Beobachtungen vor allem um den unmittelbaren Ausdruck und weniger um die detaillierte Dokumentation des Erlebten geht, das spürt man beim Anblick der locker skizzierten Zeichnungen. Einzelne, klar gesetzte farbige Linien akzentuieren die Szenen. Gleichzeitig dokumentieren ihre Arbeiten die Verbindung mit der japanisch-schweizerischen Malerin und Grafikerin Leiko Ikemura, die sie vor zwei Jahren auf der Art Basel in Hongkong bei einem Dinner kennenlernte und mit der sie seither in regem Austausch steht.
Dem künstlerischen Umgang mit dem Flüchtigen, Situativen, stehen die Arbeiten von Milo Frielinghaus gegenüber. Frielinghaus studierte an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf und widmet sich der künstlerischen und theoretischen Auseinandersetzung mit dem Räumlichen. Das „Square“, Rechteck, steht dabei im Fokus seiner Arbeit.
Aus diesen – so könnte man meinen – gegensätzlichen Konzepten der beiden KünstlerInnen ist vor zwei Jahren die Avantgarde-Minimal-Rockband The Present Square hervorgegangen, der neben Speder und Frielinghaus noch Schlagzeuger Jari Haapalainen angehört. Mit dem Event soll der Öffentlichkeit nun das Projekt als Ganzes vorgestellt werden. Einen ersten Einblick gibt die Arbeit „Video Still (live)“, die im Kombinat für Text und Bild gezeigt wird. Darin zu sehen: die beiden MusikerInnen, die reg- und lautlos in der Ecke stehen, obwohl sie ihre Instrumente in der Hand halten. Im Hintergrund ziehen auf den Wänden verschiedene Landschaften und Szenerien vorüber – wiederum Videoarbeiten der beiden KünstlerInnen. Der Clip veranschaulicht, worum es Speder und Frielinghaus in ihrer (musikalischen) Arbeit geht: In Zeiten, in denen es die Regel ist, dass MusikerInnen in ihren Musikvideos nur noch vorgeben, live zu singen (und Songs in Tonstudios niemals live, sondern in einzelnen Tonspuren aufgenommen und technisch optimiert werden), wollen die beiden Musik produzieren, deren Echtheit nicht vorgetäuscht ist.
Im Zeichen der künstlerischen Verbindung „Berlin/Japan“ legt während des Events das DJ-Duo 2Plattenspieler Vinyl aus Japan und Berlin auf. Hinter dem Namen 2Plattenspieler verbergen sich Milo Frielinghaus und Jari Haapalainen.
Ein Höhepunkt wird die Präsentation der neuen Vinylsingle von The Present Square sein. Auf ihr haben sie das Gedicht „Tsu-Chi Kara Uma-reru“ von Leiko Ikemura vertont – auf Wunsch der japanischen Künstlerin.
Exhibition Event „Berlin – Japan“, 21. Februar, KTB Berlin – Kombinat für Text und Bild, Chausseestraße 110, Mitte, 19–22 Uhr
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