geht’s noch?
: Grammys und Missbrauch

Nicht nur die aktuellen Vorwürfe gegen den Musiker Ryan Adams zeigen: Der #MeToo-Bewegung bleibt in der Musikbranche noch sehr viel zu tun

Die Grammy-Verleihung sei ein Abend der Frauen gewesen, da waren sich die Medien einig. Wichtige Preise gingen an Rapperin Cardi B, an Dua Lipa und an Lady Gaga. Nur bei 4 der 17 musikalischen Performances standen ausschließlich Männer auf der Bühne. Doch bevor wir in Jubel ausbrechen, lohnt sich ein zweiter Blick. Denn auch die Red Hot Chili Peppers standen auf der Bühne.

Deren Frontsänger Anthony Kiedis wurde 1989 zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er einem Fan seinen Penis ins Gesicht gedrückt hatte. Im gleichen Jahr wurden auch Drummer Chad Smith und Bassist Michael Flea Balzary wegen sexueller Belästigung festgenommen. In seiner Autobiografie „Scar Tissue“ beschreibt Kiedis, wie er als Erwachsener Sex mit einem 14-jährigen Fan hatte. Reue zeigte er nicht.

Einzelfälle? Leider nein. Am Mittwoch veröffentlichte die New York Times eine große Recherche über Ryan Adams. Darin kommt seine Ex-Frau Mandy Moore, zu Wort, die er über Jahre hinweg psychisch misshandelt haben soll, oder die junge Frau Ava, mit der er anzügliche Nachrichten ausgetauscht und Telefonsex gehabt haben soll – im Gegenzug habe er ihr Unterstützung bei ihrem musikalischen Durchbruch versprochen. Einige der sieben Frauen sagen, sie hätten den Machtmissbrauch Adams’ als so belastend empfunden, dass sie danach keine eigene Musik mehr machen konnten. Bei Twitter reagierte Ryan Adams auf die Vorwürfe. Manche Teile davon seien falsch interpretiert, stark übertrieben oder einfach falsch. Das FBI hat Ermittlungen aufgenommen.

Männer in der Musikbranche tarnen ihren Machtmissbrauch unter dem Deckmantel von Sex, Drugs and Rock’n’ Roll. Sie nutzen ihre Karriere und Bekanntheit, um Frauen zu misshandeln und zu manipulieren – und verdienen weiterhin großes Geld damit. In einer Nachricht an Ava schrieb Adams: „Wenn Leute von unseren Nachrichten wüssten, würden sie sagen, ich sei wie R. Kelly. Lol.“ Dem R&B-Sänger werden seit Jahrzehnten sexueller Missbrauch und Pädophilie vorgeworfen. Die Vorwürfe wurden lange Zeit ignoriert, doch die Doku „Surviving R. Kelly“ hat eine Debatte angestoßen. Eine Bühne wird ihm trotzdem geboten – zumindest in Deutschland. Ein Konzert in Ludwigsburg wurde zwar abgesagt, doch ein Betreiber einer Konzerthalle in Neu-Ulm will ihm nun ein Forum geben. Solange Missbrauchsstrukturen unterstützt werden, hat die #MeToo-Bewegung noch viel zu tun. Carolina Schwarz