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Wir lieben die Heimat

Über Heimat, die dem Volk gehört, und andere DDR-Mythen sprachen Grüne mit Norbert Bisky

Von Brigitte Werneburg

Nachfragen darf ein Moderator schon. Nachfragen sollte ein Moderator sogar. Das ist sein Job. Besonders wenn die Diskutantin Jana Hensel behaupten zu können glaubt, der Rassismus in Ostdeutschland sei stets mit Systemkritik verbunden, wohingegen es sich in Baden-Württemberg – dort habe sie zu dieser Frage recherchiert – um simplen, dumpfen Rassismus handle. Das hätte man dann doch gerne etwas genauer erläutert bekommen.

Moderator Erhard Grundl, kulturpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, hakte nicht nach. Er hakte auch nicht nach, als die 1976 geborene Autorin und Zeit-Journalistin davon sprach, dass sich in Ostdeutschland seit den 1990ern der Fremdenhass „eingenistet“ habe, gerade so, als ob es sich um ein dort bis dahin völlig unbekanntes Phänomen gehandelt habe.

Jana Hensel ist es unbenommen, sich als Erika Steinbach der ostdeutschen Heimatvertriebenen zu gerieren. Aber ein Moderator sollte über eine Argumentation, die vor alternativen Fakten strotzt, nicht einfach hinweggehen. Zumal nicht als Mitinitiator der Reihe „Salonfähig – Gespräche über Heimat“, deren dritte Runde unter dem Titel „Im Osten geht die Sonne auf“ am Dienstagabend der Frage nachzugehen suchte, wie sich das Verständnis von Heimat und Zugehörigkeit für die Menschen darstellt, die 1989 vom Untergang der DDR und dem nachfolgenden Transformationsprozess unmittelbar betroffen waren.

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, gehört zu diesen Menschen wie der Maler Norbert Bisky. Beider Erfahrungen waren etwas anderer Natur. Es ist wirklich die Natur, worauf Göring-Eckardt aufmerksam machte, die in dem berühmten Lied der Ernst-Thälmann-Pioniere „Unsere Heimat“ definiert. Da wurde es ­spannend.

Während Teile des Publikums sich summend der Zeilen zu erinnern suchten, die davon handeln, dass das Gras auf der Wiese wie die Tiere der Erde die Heimat sind, die alle schützen, „weil sie dem Volk gehört“, sah eine Stimme darin den Mythos der DDR ausgedrückt, nämlich Heimat gestalten zu können. 1989 sei die Überführung des Mythos in die Realität denkbar geworden.

Vielleicht war dieser Mythos Resultat der Situation, dass alle wussten, sie kommen hier nicht raus, gab Nobert Bisky zu bedenken. Verdammt zur Heimatliebe gewissermaßen, zum Kult, der die Versöhnung mit einem Land ermöglichen sollte, dem man eh nicht entkommen konnte. Bisky, der in den 90er Jahren an der UdK bei Georg Baselitz studierte, definiert vor allem wegen des Braindrains die DDR und das heutige Ostdeutschland als Rumpfgesellschaft. Ähnlich jemand aus dem Publikum, der sagte, er weigere sich, heute einer Mehrheitsgesellschaft der Ossis anzugehören, der er als Teil jener 2 Prozent, die de facto die Zivilgesellschaft ausmachten, nie angehört habe.

Dass spezifisch über Heimat gesprochen worden wäre an diesem Abend in der Kulturbrauerei, kann man nicht sagen. Eher ging es um gesellschaftliche Defizite, die beklagt und Errungenschaften, an die mit Bedauern erinnert wurde. Etwa an die gegenüber dem Westen bessere gesellschaftliche Stellung der Frau, dank der Jana Hensel in der „DDR ein Land skandinavischen Zuschnitts“ erkannte.

Die Machtfrage wurde aber nie gestellt, erinnerte Katrin Göring-Eckardt. Und daran lag es dann wohl auch, dass weder die Abschaffung des Paragrafen 218 noch die Kitakultur im wiedervereinigten Deutschland durchzusetzen war. Ganz zum Schluss machte Nobert Bisky auf den Umstand aufmerksam, dass es Good Old West Germany auch schon lange nicht mehr gibt.

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