Schlachthöfe sollen freiwillig filmen

Nach Skandalen will Niedersachsen mit Videoüberwachung das Tierwohl sichern

Von Jan Christoph Freybott

Schlachthöfe in Niedersachsen werden künftig per Video kontrolliert. Das zumindest sieht eine freiwillige Selbstverpflichtung vor, auf die sich am Dienstag Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), Veterinärbehörden und Vertreter der Fleischwirtschaft geeinigt haben. In der Vereinbarung wird empfohlen, auf freiwilliger Basis Videokontrollen einzuführen. Am Freitag will Niedersachsen eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbringen, die Videokontrollen verbindlich zu machen.

Bundesweit werden nirgends so viele Tiere geschlachtet wie in Niedersachsen. Mit 400.000 Schlachtungen täglich steht beispielsweise im niedersächsischen ­Wietze der größte Geflügelschlachthof Europas. Tier­schüt­zer*innen machen immer wieder auf den mangelhaften Tierschutz in den Schlachthöfen aufmerksam; zuletzt hatte das Deutsche Tierschutzbüro im November 2018 Videos veröffentlicht, auf denen Schweine bis zu 40-mal mit Elektroschockern gequält wurden.

Als Reaktion auf die Kritik hatte die Ministerin einen „Neustart“ in den Schlachthöfen gefordert; Otte-Kinast veranlasste präzisere Kontrollen sowie Schulungen für Veterinär*innen. Mit der Videoüberwachung steht nun die nächste Initiative an. Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast hatte vorgeschlagen, dass amtliche Kontrolleur*innen die Videoaufnahmen vom Geschehen in mehreren Schlachthöfen auf ihren Handys überwachen könnten. Der Fokus auf die Videoüberwachung offenbart dabei: Das Ministerium sieht für die Missstände vor allem individuelles Fehlverhalten von Ve­te­rinär*innen oder Mitarbeiter*innen verantwortlich.

Kritik erfährt die Branche hingegen immer wieder wegen der Arbeitsbedingungen der Mit­ar­beiter*innen in den Schlachthäusern. Insbesondere Leih- und Vertragsarbeiter aus Osteuropa werden in den Schlachthöfen beschäftigt, zum Teil zu unmöglichen Arbeitsbedingungen. Fraglich bleibt schließlich, inwiefern die niedersächsische Initiative im Bundesrat auf Konfrontationskurs mit der Fleischindustrie geht.

Sofern datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden, spräche einer gesetzlichen Videoüberwachung grundsätzlich nichts entgegen, meint Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen. Wichtig sei, dass Verstöße auch konsequent zur Anzeige gebracht würden – amtliche Kontrollen gab es schließlich auch schon in den Skandalbetrieben. „Die Fleischindustrie an den Tisch zu bitten und zu fragen ‚Wie hätten Sie es denn gerne?‘, ist jedenfalls nicht der richtige Weg“, sagte Ostendorff. Entsprechend werde man sich mit den Erwartungen an die Bundesratsinitiative aus Niedersachsen zurückhalten, so Ostendorff. Schließlich gebe es zwischen ­Politik und Fleischindustrie „enge Verbindungen“.