Droht die Paprika-Schwemme?

Der Brexit lässt Gemüseerzeuger bangen: Sie könnten ihre Ware nicht mehr loswerden

Manchmal lässt sich Komplexes wie der Brexit auf ganz Alltägliches herunterbrechen: etwa auf ein Gemüseregal in einem deutschen Supermarkt. Hier könnte nach einem ungeordneten EU-Austritt der Briten ein harter Konkurrenzkampf ausbrechen – befürchten zumindest deutsche Gemüseerzeuger.

Ihr Blick richtet sich ins Nachbarland Niederlande. Wo werden Paprika und Tomaten, die dort eigentlich für den britischen Markt herangezogen werden, am Ende landen? Holländische Exporteure bereiten sich auf das schlechteste Szenario eines Chaos-Brexits vor – und schauen sich nach alternativen Absatzmärkten für die leicht verderbliche Ware um.

„Wir befürchten einen Preisverfall“, sagt der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Gemüsebau im Zentralverband Gartenbau, Jochen Winkhoff. Durch den Brexit könnte die Ware auf den außerbritischen Markt gedrängt werden, besonders auf den deutschen – den größten in der EU.

Es geht um viel, denn Großbritannien ist nach Deutschland und Belgien der drittgrößte Absatzmarkt für die Niederlande. Die dortigen Landwirte haben nach Angaben des Statistik­amts im Jahr 2018 Obst und Gemüse im Wert von rund 2 Milliarden Euro nach Großbritannien exportiert. 2017 waren es Tomaten für rund 275 Millionen Euro, Paprika für 185 Millionen Euro und Gurken für 90 Millionen Euro.

Sollte es zu langen Wartezeiten an der Grenze kommen, müssten sich niederländische Frischware-Produzenten neue Absatzmärkte suchen. „Dann kann es sein, dass viel in Deutschland auf den Markt gebracht wird“, sagt Klaas Johan Osinga, Brexit-Experte beim niederländischen Landwirtschaftsverband LTO.

Exporteure strecken laut einer Verbandssprecherin bereits die Fühler nach alternativen EU-Märkten aus – außer Deutschland auch Frankreich, Polen oder Belgien. Und seitens der Produzenten geht es auch nicht nur um die Niederlande. Gemüsebau-Experte Winkhoff verweist etwa auf Irland als Produzent von Champignons für den englischen Markt.

Überversorgung lässt Preise abrutschen

„Die Gefahr für uns ist, dass wir erst mal diese Übermengen hier verkraften müssen“, so Winkhoff. „Die Erfahrung zeigt, dass schon5 Prozent Marktüberversorgung von Frischgemüse bis zu 50 Prozent Preisverfall für den Anbauer bedeuten kann.“ Der Verband geht auch davon aus, dass viel Gemüse durch die Überversorgung verderbe.

Der Deutsche Fruchthandelsverband, der wie andere Branchenvertreter auf der Fruit Logistica in den Messehallen vertreten ist, rechnet auch damit, dass ein chaotischer Brexit Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt hätte. Ein erhöhtes Angebot von frischem Obst und Gemüse könne zu Preisverfall führen. Großbritannien sei ein bedeutendes Einfuhrland für viele andere EU-Staaten wie Spanien, Italien, Niederlande und Belgien. Bei einem ungeordneten EU-Austritt sei zu erwarten, dass die Versorgung mit frischem Obst und Gemüse nicht mehr so reibungslos verlaufe.

Bislang weiß niemand, welche genauen Folgen ein Austritt der Briten aus der Europäischen Union nach sich zieht. Großbritannien will die EU am 29. März verlassen. Doch noch immer ist das Austrittsabkommen nicht unter Dach und Fach. Ein Brexit ohne Abkommen – auch No-Deal-Brexit genannt – wird deswegen immer wahrscheinlicher.

Niederländische Tomaten oder Blumen werden innerhalb weniger Stunden im Zentrum von London auf den Märkten verkauft. Bei leicht verderblicher Ware zählt jede Stunde. Produzenten würden auch kurzfristig entscheiden, wo sie verkaufen, betonte Osinga. „Wenn das Chaos an der Grenze groß ist, schicken die ihre Lastwagen in die andere Richtung.“ (dpa)