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Eskapismus mit Punkten

Das Burning-Man-Festival in Nevada ist heute Sci-Fi-Themenpark und Kommerzspektakel zugleich. Das Künstlerduo Römer + Römer war dort und verarbeitet Schnappschüsse vom Festival zu Kunst

Von Beate Scheder

Es waren einmal zwei Freunde, Larry Harvey und Jerry James, die im Sommer 1986 am Strand von San Francisco eine Holzpuppe verbrannten. Fortan wiederholten sie dieses Ritual Jahr für Jahr, immer mehr Menschen nahmen daran teil. Aus dem privaten Heilungshappening erwuchs das Burning Man, eines der spektakulärsten Festivals weltweit, das mittlerweile nicht mehr in Kalifornien, sondern in Nevada stattfindet.

Immer im Spätsommer erhebt sich dort mitten in der Wüste eine künstliche Stadt aus dem Staub, um neun Tage später wieder zu verschwinden. Das Burning Man ist eine riesige begehbare Kunstausstellung, ein Sci-Fi-Themenpark, auf dem fantasievolle Art-Cars die einzigen erlaubten Fahrzeuge sind. Ein hölzerner Mann wird am Ende immer noch verbrannt, ansonsten hat sich einiges verändert. Aus der Hippie-Utopie einer egalitären und nichtkommerziellen temporären Gegenkultur wurde ein Stelldichein nicht bloß für Freigeister, sondern auch für die Reichen und Schönen, eine instagram-Party – #burningmanstyle, #industwetrust –, ein Kostümfest, auf dem man möglichst wenig trägt, eine Bühne für Influencer, Tech-Milliardäre und Promikinder. 2018 mischten sich etwa Elon Musk, Heidi Klum und Paris Hilton unter die rund 70.000 Burner, wie sich die Fans nennen.

Auf dem Festivalgelände gibt es zwar nach wie vor nichts zu kaufen, so viel ist vom antikapitalistischen Geist der Gründerväter geblieben. Dafür kosteten Tickets zuletzt schlappe 425 US-Dollar, Ausrüstung und Verpflegung nicht inklusive. Und wer in einem der Luxuscamps absteigt, zahlt natürlich noch sehr viel mehr. Nicht wenige beklagen, das Burning Man korrumpiere seine eigenen Ideale. Was in der Wüste Nevadas schief- oder vielleicht immer noch gut läuft, mit den Mitteln der Kunst zu diskutieren könnte also durchaus interessant sein.

Im Haus am Lützowplatz, in dem momentan die Ausstellung „Burning Man. Electric Sky“ läuft, ist man von solchen Diskussionen leider weit entfernt. Da schillert es vor allem grellbunt von der Leinwand. Die Malerei zeigt Lichtinstallationen aus LED oder Feuer am Nachthimmel, Art Cars im aufgewirbeltem Staub und „Burner“, die sich an dem ganzen Brimborium erfreuen.

Die Bilder stammen von Torsten und Nina Römer, besser bekannt als Römer + Römer. Die beiden haben in der Vergangenheit bereits das Fusion Festival besucht, den Karneval in Rio, die Brighton Pride oder Cosplay-Veranstaltungen. An Eskapismus, Ekstase und Entgrenzung haben die beiden offenbar ein besonderes Interesse. Ihre künstlerische Methode ist dabei stets die gleiche: Römer + Römer gehen hin, fotografieren und sortieren hinterher aus allen Schnappschüssen die passenden Motive aus, die sie dann in Malerei übersetzen. Römer + Römer malen nichts, was sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätten. Sie geben quasi Zeugnis ab, nur dass sie dabei dem Gesehenen noch ihren eigenen Filter überstülpen. Einen Pünktchenfilter. Auf YouTube kann man sich in archivierten Fernsehbeiträgen ansehen, wie sie in Malen-nach-Zahlen-Manier abwechselnd Farbe auf die Leinwand klecksen, sodass aus groß gezogenen Fotografien neo-pointillistische Gemälde entstehen.

Für die Bilder der neuen Ausstellung erweiterten Römer + Römer ihre Praxis erstmals um eine weitere Technik. Die Farbe trugen sie nicht mehr nur tupfend, sondern auch sprühend auf. Den im Wüstensand und Lichtermeer flirrenden Himmel gaben sie so eine glatte Oberfläche, was in Kombination mit den Pünktchen ihrer Malerei, von der man immerhin behaupten kann, dass sie Wiedererkennungswert hat, tatsächlich ein wenig interessanter macht.

Römer + Römer, die seit 20 Jahren zusammenarbeiten, sind ein Phänomen. Die Ausstellung ist stets gut besucht. Es kommen Burner und solche, die es noch werden wollen. Es kommen Fans von Römer + Römer und Menschen, die irgendwie mit ihnen vernetzt sind und von denen es, so umtriebig wie Römer + Römer sind, einige gibt. Sie kuratieren zum Beispiel auch, vor ein paar Jahren auch ein paar Ausstellungen in der Studiogalerie des Hauses am Lützowplatz. Es kommen Leute, die über das Duo in der Zeitung gelesen oder im Radio gehört haben, Leute, die vom Lützowplatz aus die Bilder durchs Fenster gesehen haben, Leute, die davon fasziniert sind, dass andere fasziniert sind, und diese Malerei womöglich ernsthaft gut finden. Warum? Vielleicht einfach nur, weil es Winter ist und Berlin so grau, vielleicht ganz banal, weil diese Kunst so banal ist.

„Burning Man – Electric Sky“, Haus am Lützowplatz, noch bis 10. März

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