So viele Autorinnen

Notizbuch: eine gute Initiative – „die Kanon“ steht jetzt online

Die Forderung nach einem verbindlichen literarischen Kanon hat schnell etwas von Ausschluss und Leitkultur. Schon besser wäre es wohl, ein Spiel von Kanon und Gegenkanon zu denken, dann würde Kultur zumindest nicht als fester Grund gedacht, als überzeitlicher Schatz, sondern als Ergebnis ständiger Verschiebungen und Debatten.

Noch interessanter ist es, sich auf eine Vielzahl oder – viel debattiertes Wort – Diversität von Kanons einzulassen. Zwei, drei, viele Kanons schaffen, das kann Aufmerksamkeit erzeugen, man kann die kulturellen Bestände neu durchforsten, bisher vernachlässigte Bereiche ausleuchten, Verbündete finden.

Jedenfalls, es gibt jetzt einen weiblichen Kanon, „die Kanon“ genannt, er verdankt sich einer Initiative der Schriftstellerin Sibylle Berg, die im Sommer einen Gegenentwurf zu einem Kanon-Vorstoß der Zeit angeregt hat und schnell Mitstreiterinnen fand. Unter diekanon.org steht das Ergebnis jetzt online. Aufgeführt werden nicht nur Künstlerinnen und Schriftstellerinnen, sondern auch Wissenschaftlerinnen, Sportlerinnen und Unternehmerinnen. Bei den Autorinnen stößt man nicht nur auf die üblichen Verdächtigen von den Brontë-Schwestern bis zu Elfriede Jelinek, sondern auch auf Entdeckungen wie Charlotte Dacre, freut sich, dass etwa Inge Müller aufgenommen wurde und zwischen E und U keine Kluft existiert – J. K. Rowling ist auch dabei. Dass es viele beeindruckende Autorinnen gibt, sollte man ja nicht eigens betonen müssen. Gerade deswegen gut, jetzt darauf aufmerksam gemacht zu werden. (drk)