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Archiv-Artikel

„Schwarz auf weiß – Eine Reise durch Deutschland“

Während sich Günter Wallraff in den Somalier Kwami Ogonno verwandelt – oder besser: schwarz angesprüht wird, die Maskerade wirkt ein wenig halbherzig –, sagt er: „Jede Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie auf Fremde reagiert.“ Das ist die Prämisse, von der ausgehend der notorische Selbstdarstellerundercoveraufklärer über ein Jahr durch Deutschland reisen will. Wallraff und dem Zuschauer ist zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass die Bilanz seiner Reise als Afroperückenträger nur verheerend ausgefallen sein kann – sonst würde ein Wallraff gar nicht erst losziehen und „Schwarz auf weiß“, sein größtenteils mit versteckter Kamera gedrehtes Reisetagebuch (zusammen mit Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger und Gerhard Schmidt), hätte es kaum ins Kino geschafft. Diese Abgeklärtheit vergeht einem allerdings schnell: Was bitte ist die Steigerung von „verheerend“?

Zum Beispiel Cottbus: Nach einem Fußballspiel mischt sich Kwami Ogonno unters ziemlich völkische Fanvolk – mit einer simplen Frage: „Wer hat gewonnen?“ Er bekommt nicht eine vernünftige Antwort (zumindest hat es keine in den Film geschafft), stattdessen bietet man ihm einen Platz im Gepäckraum eines Reisebusses an oder beschreibt ihm ungefragt den Weg nach Hause und meint damit keinen Ort in Brandenburg.

Der Filmtitel „Schwarz auf weiß“ pointiert Wallraffs Ansatz: Ob bei den Fußballfans in Cottbus, einer Wandergruppe in Gummersbach oder einfach irgendwo auf der Straße – Wallraff sucht permanent die Gesellschaft, die ihn nicht will, und dokumentiert deren Ablehnung in Bildern grenzenloser Einsamkeit. Doch hat er es nicht allein auf den offenen, unverhohlenen Rassismus abgesehen – beleidigen, wegsetzen, anpöbeln –, sondern auch auf den unterschwelligen, verdrucksten, der sich hinter aufgeklärt klingenden Vokabeln wie „Mentalität“ verbirgt oder hinter den in Deutschland so beliebten „Vorschriften“.

Um diesen unterschwelligen Rassismus zu entlarven, helfen Wallraff „Lockvögel“, menschliche Katalysatoren. Als Kwami Ogonno bei einer Wohnungsbesichtigung gerade zur Tür raus ist, stehen sie als vermeintliche Wohnungsinteressenten auf der Matte und entlocken der Vermieterin all ihre Ressentiments, die sie selbst mit den Worten „ganz schwarz, ganz schlimm“ bündig zusammenfasst.

Die erfreulichste und zugleich traurigste Szene in Wallraffs Nummernrevue des Hasses spielt ausgerechnet in Brandenburg: Ein Straßenbauunternehmer, bei dem Wallraff und ein schwarzer Freund vorsprechen, bietet ihnen zuerst einen Sitzplatz an und dann auch noch einen Job – für Wallraffs Freund „das schönste Erlebnis seit Monaten“. So schwarz also sieht das Leben in Deutschland aus, wenn man sich nicht abschminken kann. DAVID DENK

■ „Schwarz auf weiß – Eine Reise durch Deutschland“. Regie: Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger. Mit Günter Wallraff u. a. Deutschland 2009, 85 Min.