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„Eis für Erwachsene“

Auf dem „Startup-Day“ der Grünen Woche präsentieren Gründer kulinarische Geschäftsideen. Auch einige Berliner: von „Paleo Slow Food“ bis zum veganen Pizzateig

Von Manfred Ronzheimer

Restaurants kommen und gehen. Wo das Essen warm und duftend die Küche verlässt und dem Gast kredenzt wird, dort sind Unternehmensgründungen gang und gäbe. Ein neuer Trend im Foodbereich sind dagegen Gründungen im Lebensmittelhandwerk: Start-ups, die sich rund um ein kulinarisches Produkt bilden, das über den Handel vertrieben werden soll. Mit ihrer Innovation wagen sie sich in einen hart umkämpften Markt.

Die Grüne Woche will sich um diese Klientel kümmern und rief dafür den „Start­up-Day“ ins Leben. „Unser Ziel ist die Starthilfe in Form der Vernetzung mit den traditionellen Stakeholdern aus dem Lebensmittelhandel und anderen Experten und Multiplikatoren sowie Investoren, Projekt- oder Vertriebspartnern“, erklärt Lars Jaeger, Projektleiter bei der Messe Berlin. „Deshalb sind die Preise auch nicht direkt mit Geld, sondern mit virtuellen Prämien dotiert wie Beratungsgesprächen bei Einzelhandelsketten oder der kostenlosen Teilnahme an der nächsten Grünen Woche.“

Der erste Gründertag stieß letztes Jahr mit 50 Bewerbungen vom Start weg auf großes Interesse. Als Sieger wurde das Gründerteam von „nearbee“ gekürt, das ein Vertriebsportal in München für regionale Honigproduzenten aus dem gesamten Bundesgebiet entwickelt hatte. Den zweiten Preis erhielt eine hessische Initiative, die das Fleisch von Legehennen zu Essen verwertet, anstatt die Tiere, wenn sie keine Eier mehr legen, der Industrie zu überlassen. Bronze ging an die Ostsee, wo das Unternehmen „Hiddenseer Kutterfisch“ eine regionale Fischkonservenproduktion auf Rügen auf die Beine gestellt hatte.

Aus Berlin, der Gründerhauptstadt Deutschlands, nahmen 20 Food-Start-ups teil, doch keiner bekam in der ersten Runde den Lorbeerzweig der Jury. Unter ihnen Bone Brox, die Kraftbrühe aus Rinderknochen 18 Stunden lang kocht und in Gläser füllt. „Paleo Slow Food“ nennt Jin-Woo Bae, einer der Gründer, das Kultgetränk, das in den USA Stars und Sportler wegen des hohen Kollagengehalts schlürfen. Es soll gut für Haut und Muskeln sein. Die Limo UG geht mit einer Zitronenlimonade samt Koffeinzusatz als Alternative zu Mate und Cola in den Markt. Als günstige Vertriebswege wurden Discos und Fitnessstudios identifiziert. Weitere Produktinnovationen des Berliner Start-ups sind Fruchtgummis ohne Zucker, alkoholhaltiges Cocktaileis aus dem Beutel („Eis für Erwachsene“) oder eine Backmischung für veganen Pizzateig mit hohem Proteinanteil.

Das Berliner Start-up Infarm ist schon einen Schritt weiter. Vor fünf Jahren gründeten drei Israelis das Unternehmen, das mobile Gewächshäuser für das sogenannte Vertical Farming herstellt, den urbanen Gemüseanbau in Gebäuden. In bereits über 50 Restaurants und Supermärkten werden in Nährlösung und mit Kunstlicht frische Küchenkräuter in breiter Vielfalt gezogen.

Der Markt ist groß, und für den nächsten Wachstumsschritt hat Infarm von Investoren gerade weitere 20 Millionen Euro erhalten.

Aus der Gründerhauptstadt Berlin nahmen 20 Food-Start-ups teil

Im Foodbereich passiere viel in Berlin, sagt Hendrik Haase, der die gläserne Metzgerei „Kumpel und Keule“ in der Markthalle Neun betreibt und als Experte der Auswahljury angehörte. Dass beim ersten Start-up-Wettbewerb der Grünen Woche dennoch kein Berliner Unternehmen zu den drei Siegern zählte, liegt seiner Meinung nach weniger an geringer Innovationshöhe. „Hier sind die Berliner Start-ups sehr nahe dran an den Foodtrends.“

Vielleicht haben die Berliner Foodgründer in diesem Jahr mehr Erfolg. Am 23. und 24. Januar steigt im Professional Center der Internationalen Grünen Woche die zweite Auflage der „Startup-Days“. 20 ausgewählte Gründer wetteifern in Pitch-Sessions um die Gunst der Jury und stellen in einem Ausstellungsformat ihre Geschäftsidee und Produkte vor. Foodexperten, Förderer und andere Mitgestalter der Lebensmittelbranche zeigen in Keynotes, was die Szene aktuell bewegt.

Im Rennen sind unter anderem ein „Brainfood“-Riegel mit Hanf für Konzentration und mentale Fitness, nachhaltige Lifestyleprodukte auf Basis der Kakaofrucht sowie Knödel aus 100 Prozent gerettetem Brot.

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