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Für Trittbrettfahrer wird es künftig zugiger

Das neue Verpackungsgesetz ist erst seit zwei Wochen in Kraft, da zahlen schon 70.000 Supermärkte, Bäckereien oder Onlinehändler mehr für ihren Verpackungsmüll als früher

Wer so was verkauft, muss zahlen – je besser es sich recyceln lässt, desto billiger soll es werden Foto: Phil Noble/reuters

Von Heike Holdinghausen

In Sachen Mehrwegquote baut die Umweltministerin jetzt eine Drohkulisse auf: Wenn die Unternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen 70 Prozent nicht erreichen, dann „wird man sehen müssen“, sagte Svenja Schulze (SPD) am Montag in Berlin. Fürderhin werde man „andere Maßnahmen diskutieren“. Seit Jahren werden immer weniger Getränke in Flaschen verkauft, die mehrmals benutzt werden. Laut Umweltbundesamt lag der Anteil von Getränken, die in Mehrwegverpackungen verkauft wurden, 2016 bei nur noch 42,8 Prozent.

Trotzdem setzt Ministerin Schulze nur darauf, Kundinnen und Kunden besser zu informieren. Händler müssen ihren Kunden sichtbar und verständlich in der Nähe der Getränkeregale erklären, ob Limo, Wasser oder Bier in Mehrweg- oder Einwegflaschen verkauft werden. Sanktionen gegen Händler wie Lidl oder Hersteller wie Coca-Cola, die sich dem ökologisch sinnvollen Mehrwegsystem verweigern, sind nicht vorgesehen.

Das neue Verpackungsgesetz baut vor allem Druck auf Händlerinnen oder Hersteller auf, sich an den Kosten zu beteiligen, die durch Verpackungsmüll entstehen. Zwar müssen all diejenigen, die Verpackungsmüll in Verkehr bringen – also Supermärkte, Drogerien oder Onlineversender – schon seit 1993 für die Beseitigung ihrer Abfälle bezahlen. Doch erst jetzt sind sie verpflichtet, sich bei einer zentralen Stelle zu registrieren. Wer das nicht macht, dem drohen Bußgelder oder sogar ein Vertriebsverbot.

Ergebnis: Statt bisher 60.000 sogenannte Inverkehrbringer zahlen jetzt rund 130.000 Unternehmen für ihren Abfall, teilte Gunda Rachut, Vorstand der Stiftung „Zentrale Stelle Verpackungsregister“ am Montag in Berlin mit. Damit gebe es noch „Luft nach oben“. Bis Ende des Jahres könnte sich die Zahl der registrierten Unternehmen nochmals verdoppeln, schätzt Rachut. „Die Rede war bisher von 720.000 Inverkehrbringern“, sagt Michael Jedelhauser, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Umweltverband Nabu. „Entweder die Behörden haben die Zahl zu hoch geschätzt, oder es hat sich erst ein Bruchteil registriert“, so Jedelhauser. Vor allem im Onlinehandel sieht die Stiftung Nachholbedarf. „Power-Seller bei E-Bay etwa haben häufig einen hohen Umsatz“, so Rachut, „die müssen sich jetzt alle registrieren.“ Laut Gesetz muss sich jeder Gewerbetreibende, der Verpackungen für Endverbraucher nutzt, bei der Zentralen Stelle registrieren. Eine Bagatellgrenze gibt es nicht. Das neue Gesetz soll nicht nur dafür sorgen, dass sich mehr Unternehmen finanziell an der Abfallbeseitigung beteiligen, sondern auch für mehr Recycling. Dafür sind höhere Quoten vorgesehen. Außerdem sollen die Dualen Systeme, also die Dienstleister, die die Entsorgung organisieren, für gut recycelbare Verpackungen weniger Lizenzgebühren erheben als für schlecht-recycelbare. Jedelhauser vom Nabu ist skeptisch, ob das funktioniert: „Die Dualen Systeme sind privatwirtschaftlich organisiert und stehen im Wettbewerb“, so der Abfallexperte, „wieso sollten sie ihren Konkurrenten Kunden zutreiben, indem sie besonders hohe Gebühren verlangen?“ Gunda Rachut hingegen setzt darauf, dass Hersteller und Händler Kosten senken, indem sie auf umweltfreundliche Verpackungen setzen. „Wer verpackt, hat die Macht, zu vermeiden“, sagt sie.

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