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Räumungsaufschub bis Mitte Januar

Die Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht werden vorerst nicht geräumt. Das bestätigte die Abgeordnete Hendrikje Klein (Linke) am Donnerstag

Dass die Brache 2019 geräumt werden wird, scheint unausweichlich

Von Jonas Wahmkow

Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer zur Weihnachtszeit: Die Bewohner*innen der Obdachlosen-Camps an der Rummelsburger Bucht in Friedrichshain dürfen vorerst bleiben. „Bis Mitte Januar nächsten Jahres wird definitiv nicht geräumt werden“, sagte Abgeordnete Hendrik­je Klein (Linke), am Donnerstag der taz. Vergangene Woche wurden die Bewohner*innen der Brache über eine bevorstehende Räumung informiert. Daraufhin besuchte eine Gruppe von Obdachlosen am Sonntag, zusammen mit Aktivist*innen des Kollektivs „Staub zu Glitzer“, den Landesparteitag der Linkspartei. Dort wurde ihnen zunächst versprochen, die Räumung auszusetzen und gemeinsam nach Alternativlösungen zu suchen.

Wie genau diese Lösung für die geschätzt über hundert Bewohner*innen zwischen Ostkreuz und Rummelsburger Bucht aussehen soll, ist noch unklar. Am Donnerstag besuchte Klein, deren Wahlkreis auch das Gebiet um die Rummelsburger Bucht beinhaltet, zusammen mit Senatsmitarbeiter*innen und Sozialarbeiter*innen der Karuna Sozialgenossenschaft die Brache. „Bisher sind alle sehr offen für eine Unterbringung“, schildert Klein erste Ergebnisse der Gespräche mit den Bewohner*innen, „wir werden alle Kräfte mobilisieren, um die Menschen schnellstmöglich unterzubringen.“

Im Einzelfall gestaltet sich dies aber schwierig, kaum einer der Obdachlosen ist bereit, in eine Massenunterkunft zu gehen. „Viele berichten von Diebstählen, sexuellen Übergriffen und anderen traumatischen Erfahrungen“, erklärt Jörg Richter von Karuna, der auch vor Ort war. Die Bewohner*innen seien sehr divers, kommen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern und Altersgruppen.

Gerade die Jüngeren hätten sich in engen Freundesgruppen zusammengefunden und möchten unbedingt gemeinsam untergebracht werden. „Wichtig ist nur, dass wir zusammenbleiben können und Hunde erlaubt sind“, sagt eine 23-Jährige, die sich Trotzi nennt und mit drei Freunden dort lebt. Für jeden müssten individuelle Lösungen gefunden werden, so Richter. „Vor allem brauchen wir dafür Zeit.“ Problematisch sei auch, dass viele Einrichtungen keine Hunde, Alkohol- oder Drogenkonsum akzeptieren.

Daher sei erst einmal akute Nothilfe wichtig: „Die Lebenssituation vor Ort ist eine Katastrophe“, so Richter, „bei der Kälte und dem Zustand der Zelte müssen wir uns Sorgen machen, dass niemand erfriert.“ Geplant sei daher, dass ein Kältebus die Brache regelmäßig anfährt. Des Weiteren sollen die Bedingungen verbessert werden, neue Zelte und kälteresistente Schlafsäcke herangebracht werden.

Dass die Brache im kommenden Jahr geräumt werden wird, scheint unausweichlich. Auf dem über 30.000 Quadratmeter großen Gelände soll das umstrittene Aquarium „Coral World“ entstehen, ein Hotel und mehrere hundert Luxuswohnungen. Etliche Initiativen fordern, den Bebauungsplan, über den die Bezirksverordnetenversammlung voraussichtlich im Januar entscheiden wird, noch zu kippen. Auch Sarah Waterfeld vom Kollektiv „Staub zu Glitzer“ fordert, dass die Interessen der Obdachlosen bei der zukünftigen Bebauung der Fläche berücksichtigt werden sollten: „Es wäre doch toll, wenn man anstatt der Luxusbauten ein soziales Wohnprojekt schafft.“

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