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Mordfall Berta Cáceres: Vieles wurde nicht ermittelt

Mit der Verkündung des Strafmaßes für sieben schuldig gesprochene Täter geht am Donnerstag in Honduras der Prozess im Mordfall Berta Cáceres zu Ende. Die bekannte Umweltaktivistin war im März 2016 erschossen worden

Von Knut Henkel

Hinter dem Schreibtisch von Víctor Fernández hängt das Foto, welches ihm im April 2008 zum Umdenken bewegte. „Damals hatte ein Korruptionsfall im Staatsapparat für breiten Widerstand auch im Justizapparat gesorgt. Ich bin damals aus dem Staatsdienst ausgeschieden und habe angefangen, als Anwalt für die sozialen Bewegungen in Honduras zu arbeiten“, erklärt der 43-jährige ehemalige Staatsanwalt. Heute vertritt der Jurist die Familie von Berta Cáceres. Die international bekannt gewordene Umweltaktivistin wurde am 2. März 2016 von Auftragskillern in ihrem Haus in La Esperanza erschossen.

Der Grund ist klar, denn die mit zahlreichen Umweltpreisen ausgezeichnete Frau hatte gegen das Staudammprojekt Agua Zarca mobil gemacht. „Berta hat Demonstrationen initiiert, na­tio­nal und international darauf hingewiesen, dass das Investitionsprojekt grünes Licht von den Behörden erhalten hatte, obwohl die lokale Bevölkerung der Lenca, eine indigene Minderheit in Honduras, weder informiert noch um ihr Einverständnis gebeten worden war“, erklärt Fernández.

Dieses Einverständnis hätte allerdings laut der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation vor jeder Entscheidung eingeholt werden müssen. Die Konvention hat auch Honduras unterzeichnet. Ein klarer Rechtsverstoß der Behörden.

Auf den, aber auch auf die Ermordung mehrere Umweltaktivisten, hatte Berta Cáceres international aufmerksam gemacht. Für ihr Engagement wurde sie 2015 mit dem renommierten Goldman-Preis ausgezeichnet, ist von Papst Franziskus in Rom empfangen, aber in Honduras bedroht und verfolgt worden.

Trotz der internationalen Aufmerksamkeit ist die 44-Jährige in La Esperanza, einer Kleinstadt knapp vier Fahrstunden von Honduras Hauptstadt Tegucigalpa entfernt, von einem Killerkommando ermordet worden. „Weshalb der Mord, der wenige Stunden nach der Tat vom Minister Julian Pacheco als ein gewöhnliches Verbrechen eingestuft wurde, überhaupt möglich war, warum Berta Cáceres nicht von den Behörden geschützt wurde, ist eine Frage, die wir klären wollen. Wir wollen wissen, wer den Mord in Auftrag gegeben hat “, betont Fernández.

Genau das hat der Prozess, der an diesem Donnerstag mit der Urteilsverkündung gegen sieben bereits schuldig gesprochene Mörder endet, eben nicht zutage gefördert.

Dabei hatte das Anwaltsteam um Víctor Fernández, unterstützt von internationalen Experten, selbst ermittelt und auf die Versäumnisse der Ermittlungsbehörden aufmerksam gemacht. Zahlreiche Mobiltelefone, mehrere Ta­blets und auch die Waffe eines Militärs, der für das ausführende und koordinierende Bauunternehmen Desa aktiv war, seien nicht ausgewertet beziehungsweise nicht ballistisch untersucht worden, kritisiert Fernández. Unregelmäßigkeiten, wie die Weigerung des Gerichts, eine Nebenklage der Angehörigen zuzulassen, sind Amnesty International kritisiert worden.

Caceres’ Familie fordert, die wahren Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen

Das hat immerhin dazu geführt, dass die Richter Ende November erklärten, dass zwei Manager der Baufirma Desarollos Energéticos S.A. (Desa) den Mord zusammen mit einem pensionierten Militär, dem ehemaligen Sicherheitschef des Unternehmens, geplant haben.

Folgerichtig müsste das Urteil weitere Ermittlungen nach sich ziehen, um Licht in die Hintergründe des Mordes bringen. Doch das hängt auch von der internationalen Aufmerksamkeit ab, so Laura Zúñiga Cáceres, Tochter von Berta Cáceres. „Briefe wie der von 30 EU-Parlamentariern, die Mitte November an den Präsidenten Juan Orlando Hernández appellierten, ein faires Verfahren sicherzustellen, haben einen Effekt. Sie sorgen dafür, dass der Mord an meiner Mutter nicht in der Straflosigkeit endet wie so viele andere Morde“, meint sie.

Diese Hoffnung teilt auch Rechtsanwalt Fernández. Er will sich mit einem partiellen Urteil gegen die Auftragsmörder nicht zufrieden geben und hat weitere Verfahren eingeleitet, darunter eines gegen den Desa-Geschäftsführer David Castillo. Doch auch gegen die Geldgeber, die finnische und die holländische Entwicklungsbank, will die Familie Cáceres vorgehen, so Laura Zúñiga Cáceres. „Wir prüfen, ob wir eine Klage in Holland anstrengen. Die holländische Entwicklungsbank hat bis heute ihre Finanzierungszusagen für das Wasserkraftwerk nicht rückgängig gemacht – obwohl sie auf einer Konzession beruht, die illegal ist“, kritisiert die 25-Jährige.

Für sie hätte ein derartiger Prozess Symbolcharakter. Ohne die internationalen Finanzierungszusagen hätte das Wasserkraftwerk, für das ein deutsches Unternehmen die Turbinen liefern sollte, nämlich niemals rea­lisiert werden können.

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