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Angst vor dem „Chaos“ nach Fall der Regierung

In Belgien bleiben nach dem Rücktritt von Premier Charles Michel zwei Optionen: Neuwahlen oder Übergangsregierung. Die meisten Parteien tendieren zu Letzterem

Von Tobias Müller, Amsterdam

Am Tag nach dem Fall der belgischen Regierung hat König Phi­lippe am Mittwoch die Vorsitzenden aller Parlamentsparteien empfangen. Im Zentrum der Gespräche stand die Frage nach vorgezogenen Neuwahlen, die Anfang 2019 stattfinden könnten. Andernfalls würde eine kommissarische Übergangsregierung die Zeit bis zum 26. Mai überbrücken. An diesem Tag werden die Belgier nach jetzigem Stand dreifach zur Wahl gebeten: zur Wahl eines neuen föderalen Parlaments, der regionalen Volksvertretungen sowie des Europäischen Parlaments.

Am Dienstag hatte Premierminister Charles Michel noch versucht, im belgischen Parlament einen drohenden Misstrauensantrag abzuwenden. Der belgischen Nachrichtenagentur Belga zufolge warb er für eine „Koalition des guten Willens“, um die Regierungsarbeit fortsetzen zu können.

Eine Interimslösung, bei der die Regierung keine wichtigen Entscheidungen treffen oder neue Gesetzesinitiativen ergreifen kann, wird von vielen bevorzugt. Die frankofonen Parteien, der liberale Mouvement Réformateur (MR), Parti Socialiste (PS) sowie die grünen Ecolo unterstrichen dies am Mittwoch. Auch der bisherige Vizepremier Alexander De Croo von der liberalen flämischen Partei Open VLD sprach sich für diese Option aus.

Nur die beiden flämisch-nationalistischen Parteien, Nieuw-­Vlaamse Alliantie (­N-VA) sowie der rechtsextreme Vlaams Belang (VB), befürworten schnelle Neuwahlen. Laut N-VA-Frak­tions­chef Peter De Roover seien sie besser geeignet, „Chaos zu vermeiden“. Auffällig ist, dass Michel zuletzt versucht hatte, seine nur zehn Tage währende Minderheitsregierung mit dem Hinweis aufrechtzuerhalten, Belgien drohe andernfalls ein „Chaos“.

Genau das prägt die Politik des Landes, seit Michels Mitte- rechts-Regierung Anfang Dezember am Widerstand der N-VA gegen das Migrationsabkommen von Marrakesch scheiterte. Im Anschluss versuchte Michel, im Parlament Unterstützung für die verbliebene Minderheitskoalition zu gewinnen. Weil er sich weder mit ihr noch mit der linken Opposition einig werden konnte, erklärte Michel am Dienstagabend dem König seinen Rücktritt.

„Wir sind zu einer längeren Periode der Instabilität unterwegs“Bart Eeckhout, Journalist

Über den Inhalt der Gespräche des Königs wurde bis Redaktionsschluss nichts Näheres bekannt. Zu erwarten ist, dass sowohl N-VA als auch der Vlaams Belang im Wahlkampf vor allem auf das Thema Migration setzen werden. Beide versuchen, sich damit im konservativen und flämisch-­nationalistischen Milieu zu profilieren. Die N-VA, bislang stärkste Partei des Landes, bangt um ihre Vormachtstellung, zumal sich der Vlaams Belang seit den Kommunalwahlen im Oktober im Aufwind befindet.

In der traditionell sozialdemokratisch geprägten fran­kofonen Region Wallonie verlagert sich der politische Schwerpunkt dagegen in die andere Richtung. Laut einer aktuellen Umfrage tendieren knapp 60 Prozent der Teilnehmer zu linken Parteien. Die Parti Socialiste liegt dabei wieder vor dem liberalen MR. In der zweisprachigen Hauptstadtregion ist die Ökopartei Ecolo demnach am stärksten.

Unabhängig vom Wahltermin steht Belgien eine unruhige Periode bevor, zumal das Land ohne einen ordentlichen Haushaltsplan ins Wahljahr gehen wird. Bart Eeckhout, der Chefredakteur der progressiven Zeitung De Morgen, kommentierte am Mittwoch: „Ich denke, dass wir so oder so zu einer längeren Periode der Instabilität unterwegs sind, in der Parteien schwierig zu einer nationalen Koalition zu bewegen sein werden.“

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