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Der Körper als politische Arena

Das Buch „Politik der Affirmation“ der italienischen Philosophin und Feministin Rosi Braidotti ist eine Lektion in Demut und Selbstermächtigung

Rosi Braidotti: „Politik der Affirmation“. Übers. v. E. Barth. Merve Verlag, Berlin 2018, 104 S., 12 Euro

Von Philipp Rhensius

Leid, Empörung, Traurigkeit. Aus diesen Gefühlen schlagen Kultur und Medien ihr größtes Kapital. Ob in den Zeitungen, auf Facebook oder in der Popkultur – die tägliche Pornografie des Leids mag uns am liebsten als einsame Nihilisten, die sich in narzisstischem Selbstmitleid verkriechen. Das führt zu Ratlosigkeit und ist gefährlich – gewinnen damit doch besonders Rechtspopulisten, die ihr Weltbild auf stumpfe Actionfilm-Plots herunterkochen.

Das klingt überspitzt, ist aber wichtig, um den Kontext von „Politik der Affirmation“ zu verstehen, dem neuen Buch der italienischen Philosophin Rosi Braidotti. Der aus zwei Essays von 2012 bestehende Merve-Band ist ein Plädoyer für Affirmation. Es sei, schreibt sie im Vorwort, höchste Zeit, der oben genannten Situation etwas entgegenzusetzen.

Die Grundlagen ihres Denkens entlehnt sie dem Philosophen Baruch de Spinoza, der als klandestiner Denker im 17. Jahrhundert die Philosophie revolutionierte, indem er Körper und Geist zusammendachte und die Lust zum grundlegenden Prinzip der Lebenserhaltung erklärte. So fordert Braidotti ethischen Mut statt Regression und Kreativität statt Lethargie sowie die Transformation negativer in positive Affekte.

Zwei Kräfte

So konkret das klingt, so abstrakt liest sich der Text. Der Mensch wird hier verstanden als denkendes Wesen, eine Gesamtheit von Materie und Denken, die stetig neue Verknüpfungen eingeht und sich stets im Werden befindet. Sie besteht einerseits aus dem „zoe“, einem Netz aus menschlicher und nicht-menschlicher Materie, und andererseits aus dem „bios“, dem diskursiven, rationalen, politischen Teil.

Ersteres werde heute als das Schmutzige, Irrationale und Zweiteres als das Erhabene verstanden. Indem der Körper von beiden Kräften durchkreuzt wird, ist er eine politische Arena. Affektivität ist alles, was ein Subjekt aktiviert und ermächtigt, mit anderen zu interagieren. Braidottis Philosophie ist eine „nomadische“, in der das „radikal immanente Leben“ im Vordergrund steht und die eine Ethik der Nachhaltigkeit erfordert. Das Ego besteht aus persönlichen wie unpersönlichen Kräften, ist keine abgeschlossene Identität, sondern eine Oszillation einer „Einfaltung äußerer Einflüsse und Entfaltung von Affekten nach außen“.

Alle Migranten

„Politik der Affirmation“ ist in seiner Kürze und Komplexität nur eine Einführung in das Denken der Feministin, aber eine, die ihre Erstwirkung nicht verfehlt. Besonders die radikale Bejahung der menschlichen Schaffensfähigkeit ist nicht nur eine Lektion in Demut, weil Menschen hier nur Teil und nicht Zentrum der Natur sind, sondern auch in Selbstermächtigung.

Wenn wir uns als derart vieldeutige, nach allen Seiten offene Wesen verstehen, dann sind wir auch alle so was wie Migranten. Denn das Leben in uns trägt nie nur unseren Namen, es bewohnt uns nur in Teilzeit. Diese antiindividualistische Idee vom Leben müsste heute in jeder Schule gelehrt, in den Medien stärker propagiert und in der Politik gepredigt werden.

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