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Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Platz

Bevor Regina Barunke ihr erste Ausstellung als neue GAK-Chefin eröffnet, macht sie den Laden erst mal dicht: für diverse Umbauten on- und offline

Die Chefin ist noch außer Haus: Regina Barunke übernimmt im kommenden Jahr die Leitung der GAK. Foto: Hartwig Schwarz/GAK

Von Jens Fischer

Die letzte annoncierte Ausstellung endet Weihnachten. Veranstaltungsankündigungen für die Zeit danach gibt es keine auf der GAK-Website. Droht Schließung, weil die neue Chefin abgesagt hat? „Nein, nein“, beruhigt die 45-jährige Kunsthistorikerin Regina Barunke. Noch bis Ende des Jahres arbeite sie als Chefin der Kölner Temporary Gallery, sitze aber schon auf gepackten Koffern, ihre neue Wohnung im Geteviertel sei bezugsfertig. „Wie schon am Rhein brauche ich dann wieder 15 Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit.“ Die erst mal darin besteht, die GAK tatsächlich zu schließen. Zwei Monate lang wird durchrenoviert. Auch eine Wand muss raus, die verbaute Fensterfront für Tageslichtfluten geöffnet und eine neue Homepage programmiert werden.

Bevor Barunkes Vorgängerin, die zur Weserburg-Chefin hochgelobte Janneke de Vries, ihren Einstand im Museum gegenüber am 30. März gibt, feiert die GAK Wiedereröffnung am 8. März mit der Schau „Straub/Huillet/Cézanne.Seelen malt man nicht“, die derzeit noch in Köln zu sehen ist.

„Daran habe ich drei Jahre gearbeitet“, sagt Barunke, „bin mit dem Ergebnis sehr glücklich und denke, die Ausstellung muss nochmal gezeigt werden.“ Auch weil sie als beispielhaft gilt für ihre insistierende kuratorische Arbeit, Theorien der Gegenwartskunst spartenübergreifend zu versinnlichen. In diesem Fall geht es darum, sich dem Sehen durch Entschleunigung bewusst zu werden. Das gewählte Beispiel ist die Beziehung von Motiv und Bild bei Cézanne. Er war als Realist überzeugt, nie die Seele eines Menschen, nur Fleisch und Blut malen zu können. Das Greifbare. Soll ein vor ihm liegender Apfel auf Leinwand gebannt werden, dann bilde er nicht diesen ab, so Cézanne, sondern seine subjektive Wahrnehmung des Apfels – in der sich die Künstlerpersönlichkeit ausdrücke. Deutlich macht Barunke das mit „konzentrierten Bewegungen hin zur Malerei“.

Gemeint sind zwei formalistische Filme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet. Bildeschreibung und -kritik von Cézanne, notiert beim Flanieren durchs Museum, aus dem Off eingesprochen von Huillet, konfrontiert „Une visite au Louvre“ mit den entsprechenden Werken. Ein Gemälde Tintorettos ist etwa 15 Minuten starr im Bild, abgesehen von einigen Zooms auf Details. In „Cézanne“ liegen dessen Gedanken zur Kunst in artifiziell zerfetzter Artikulation etwa über Aufnahmen des Montagne Saint-Victoire, gefilmt von den Standpunkten, an denen der alte Meister ihn einst gemalt hat. Ergänzend zeigt Harald Bergmann seinen Film über den Berg. Rémy Zaugg, 1993 in der Eva-Schmidt-Ära schon einmal in der GAK zu erleben, versucht wiederum, sich Cézanne-Bilder zeichnerisch anzueignen. Die Natur wie abstrakte Gemälde zu fotografieren, so nähert sich Gerald Domenig der Kunst Cézannes. Als literarischer Maler der Saint-Victoire ist Peter Handke dabei, ein Erzähler „der eigenen Wahrnehmung und Fantasie der Landschaft“. Einige in Köln vertretene Künstler haben extra für Bremen neue Werke geschaffen. Frisch ins Konzept integriert ist etwa Ana Jotta, „als Konzeptkünstlerin, die Rosemarie Trockel von Portugal“, so Barunke.

In Köln übernahm sie 2012 das bankrotte Konzept einer Leihgalerie und verwandelte diese in einen Ort für intellektuell herausfordernde Ausstellungen. Dafür heimste sie zum Abschied den diesjährigen Preis der AG Deutscher Kunstvereine ein. Den Schritt vom kunstverrückten Rheinland ins diskret kunstinteressierte Weserland beschreibt Barunke als einen hinauf auf der Karriereleiter. In Köln durfte sie 200 Quadratmeter einer ehemaligen Industriehalle nutzen und hatte eine Mitarbeiterin auf halber Stelle, in Bremen sind es 350 Quadratmeter, eine Vollzeit-Assistentin und eine Volontärin, plus zwei Aufsichtskräfte. Neben der Miete wurden ihr in Köln 40.000 Euro jährlich für weitere laufende Kosten zur Verfügung gestellt, jeder Ausstellungsetat musste zu 100 Prozent eingeworben werden. In Bremen kann sie mit 120.000 Euro institutioneller Förderung in mietfreien Räumen agieren.

Zwei weitere Ausstellungen plant Barunke für 2019. Im Sommer sollen feinteilige Reisezeichnungen des portugiesischen Künstlers Mattia Denisse zu sehen sein, der dazu auch Texte aus dem Geist des Absurden verfasst hat. „Völlig unbekannt, aber der Hammer!“, so die Kuratorin.

Anschließend werde das italienische Performance-Duo Marie Cool / Fabio Balducci die GAK bespielen, später auch Kunsträume hineingeträumt vom niederländischen Kollektiv Gerlach en Koop. Bereits in Köln hat Barunke eine imaginäre Schau verantwortet: Kuratoren präsentierten mit Reden, Skizzen, Pressemitteilungen und Führungen durch die leere Galerie ihre Konzepte unmöglicher Ausstellungen. Mehr als drei mögliche Schauen will Barunke in der GAK pro Jahr nicht einrichten, sondern diese lieber gründlich recherchieren und neue Künstler entdecken. Weniger Vernissagen heißt aber auch: längere Laufzeiten. Um monatelang mehr als vereinzelte Besucher begrüßen zu können, „bieten wir ein besonders umfangreiches Beiprogramm“, so Barunke. Vorträge, Gespräche, Filmabende sind als klassische Interaktionsformate für Theorie und Kunst geplant. Zudem werde das lange vernachlässigte Archiv für den 40. GAK-Geburtstag in 2020 hergerichtet. Auf geht’s!

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