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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnNie wieder Jungsmusik, oder: in eigener Sache

Foto: privat

Nun sind fünfzig Folgen nicht so imposant wie zum Beispiel tausend. Aber auch ohne einen großen Aufstand davon zu machen: es ist über dieses gute Jahr Kolumne dann doch mehr „Popmusik und Eigensinn“ zusammengekommen, als wir ursprünglich mal gedacht hatten. Es spricht jedenfalls für das offenbar unterschätzte Bremer Konzertprogramm, dass doch jede Woche Künstler*innen auf dem Weg hierher waren, über die wir mit Lust nachdenken wollten.

Dabei stehen die Zeiten doch gerade ziemlich schlecht für das Denken und Schreiben über Pop. Den gemeinschaftliche Untergang von Intro, Spex, Groove, NME und den letzten interessanten Blogs haben auch wir bemerkt. Und eigentlich ist es ja schon viel länger klar: In Zeiten von Spotify, YouTube und Facebook braucht es keine Vorkoster*innen mehr für den Kulturkonsum. Und die fundierte (am Ende noch politische) Kritik, ach ja, die hat längst genauso abgewirtschaftet.

Was sie natürlich kein Stück weniger drängend macht. Insbesondere die an sich selbst ist unablässig. Und nicht immer kann man sich mit den widrigen Produktionsbedingungen herausreden. Hier etwa: der Anteil an reinen Jungs- und Altherrenbands in unseren fünfzig Folgen ist so krass, dass man es kaum aufschreiben mag: Es waren ganze fünf Bands mit sichtbarer weiblicher Beteiligung.

Natürlich doppeln wir zum Teil die Verhältnisse in den Veranstaltungskalendern. Und es spielt sicher auch eine Rolle, dass wir auf die alten Herren unserer Jugend besonders gerne draufgeschlagen haben. Jungsbands, die irgendwie bewusst gebrochen haben mit dem heterosexuellen Gitarrengepose, haben natürlich gerade dafür ihre Fleißsternchen auch von uns bekommen. Aber trotzdem: dass man so etwas erst merkt, wenn anderswo die Festivalkuratoren aufs Maul bekommen – das muss einem schon zu denken geben. Tut es auch.

Ansonsten fällt in der Rückschau auf, wie hart es insbesondere Bands mit erklärtem links-politischem Programm abbekommen haben. Unvergessen in einer der ersten Folgen Kollege Benjamin Moldenhauer über Irie Révoltés: „Adorno hätte geschossen.“ Damit einher geht natürlich das weit offene Herz für Künstler*innen, die in erste Linie so Zeug, also Kunst, machen, ohne sie irgendeinem Engagement unterzuordnen.

Tja, das sei mal so zwischen die Jahre gesprochen, wo Rückblicke gerade ja angesagt sind. Und schon nächste Woche wird zumindest das mit den Linkskapellen anders. Weil ja Feine Sahne Fischfilet kommen und wir uns gerade über deren Engagement natürlich wie Bolle freuen. Die sind übrigens auch eine dieser Jungsband, die sich kritisch verhalten zu ihrer Jungs­rolle in der Jungsmusik. Immerhin.

Was war noch? Ein paar Leserbriefe gabs, die waren sehr lieb. Und Einladungen zu schrecklichen Konzerten, wo man sich dann rausreden muss. Aber das ist nun wirklich unser Problem.

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