berliner szenen: Im Zoni-Center lange Schlangen
Novemberwetter, Kinowetter. Am Sonntagnachmittag haben sich vor den Ticketkassen im Zoni-Center lange Schlangen gebildet. Auf einer Tafel hinter dem Schalter ist „Aufbruch zum Mond“, mit einer Länge von hundertzweiundsiebzig Minuten angegeben. Anscheinend wollen sie den Flug zum Mond in Echtzeit nachstellen. Na, gute Nacht. Denn vorher gibt es ja auch noch eine halbe Stunde Werbung und Trailer. Als wir denken, es fängt endlich an, zeigen sie eine ewig lange Doku über eine schrille Sanitärperformance, die sich am Ende als Hornbach-Werbung entpuppt.
Ich fürchte, ich muss bald aufs Klo. Als die Ersten gehen, fängt der Film doch noch an. Keine Untertitel. Egal, man sieht ja, was passiert. Louis Armstrong wird am Himmel in einem uralten Toplader von Miele trocken durchgeschleudert. Die Technik der alten Raumschiffe ist schon irre. So etwas habe ich zuletzt auf einer indonesischen Fähre gesehen. Verrostete Eisentonnen mit klobigen Muttern und nur ausnahmsweise mit moderner Kreuzschlitztechnik verschraubt.
Die Frau von Lance Armstrong ist offenbar komplett hysterisch. Sie schreit rum, nur weil ihr Mann zu Beginn jeder Diskussion wortlos aus dem Haus rennt, ins Auto springt und mit quietschenden Reifen davonfährt. Im Verlauf des Films frisst ihre Gebärmutter zunehmend das Gehirn auf. In dieser Dimension erinnert das fast schon an Autorinnen, die sich pathologisch weigern, vor Regalen mit Faschopropaganda zu lesen. Man wünscht Neil Armstrongs nervtötender Alter sehr, dass sie sich mithilfe von Lobotomie und Feuerwehrschlauch wieder beruhigen wird. Andernfalls ist die Mondlandung in Gefahr. Und die ist sehr wichtig. Man weiß nur nicht, wozu, außer damit zockende Angeber ihren von Steuermilliarden finanzierten Buddelkasten nie mehr verlassen müssen.
Uli Hannemann
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