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Christian Rath über die Ernennung des neuen VerfassungsrichtersUnberechtigte Kritik

Eigentlich steht das Bundesverfassungsgericht gut da. Deutlich mehr Deutsche vertrauen ihm als der Bundesregierung oder gar den Parteien. Denn das Bundesverfassungsgericht verkörpert das Recht, das in Deutschland einen besseren Leumund hat als die Politik, die vielen Menschen, ob nun berechtigt oder nicht, als irgendwie zwielichtig und zerstritten gilt.

Viele oberflächliche Fans des Bundesverfassungsgerichts sind aber schockiert, wenn sie erfahren, dass die Richter von der Politik bestimmt werden, wie jetzt der neue Verfassungsrichter Stephan Harbarth. „Bananenrepu­blik“, heißt es dann. Die Richter werden flugs zu Erfüllungsgehilfen der Politik erklärt.

Doch wer soll Verfassungsrichter sonst bestimmen, wenn nicht die durch Wahlen legitimierten Volksvertreter im Bundesrat und Bundestag? Die Wahl mit Zweidrittelmehrheit führt dazu, dass das Verfassungsgericht ausgewogen zusammengesetzt ist und nicht die jeweils regierende Mehrheit nur ihre Kandidaten durchdrückt. In diesem Punkt ist der Ernennungsprozess deutlich anders als in den USA.

Da immer nur einzelne Richter neugewählt werden, kommen sie in Senate, die nach juristischen Kriterien funktionieren. Wer hier versuchen würde, platte Interessenpolitik im Sinne der Partei durchzusetzen, die ihn/sie für das Amt vorgeschlagen hat, wäre sofort isoliert. Gut ist auch, dass die Richter in der Regel versuchen, eine gemeinsame Argumentation zu entwickeln. Dies sorgt meist für ausgewogene Lösungen und eine hohe Akzeptanz der Entscheidungen.

Mit Stephan Harbarth wird nun ein ausgewiesener Politiker gewählt. Er ist Fraktionsvize der CDU/CSU gewesen und hat als Wirtschaftsanwalt für VW gearbeitet. Auch das wird zu Naserümpfen führen. Aber auch hier gilt: Wer als Verfassungsrichter sein bisheriges Leben nicht hinter sich lässt, wird in Karlsruhe nicht ankommen. Das gilt erst recht für den künftigen Präsidenten des Gerichts. Er kann es sich am wenigsten erlauben, von seinen Kollegen nicht anerkannt zu werden.

inland

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