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„Als Mannkönnte sie das nicht machen“

Die New Yorker Solo-Künstlerin Adrienne Truscott beschließt mit ihrer „Ein-Frau-Vergewaltigung“ die Performance-Reihe „The Personal Is The Political“ in derSchwankhalle: Mithu M. Sanyal erklärt Risiken und Nebenwirkungen der Show – und, warum Stand-up-Comedy eine gute Form fürs Thema ist

Interview Benno Schirrmeister

taz: Frau Sanyal, warum ist eine Vergewaltigungs-Performance eine gute Idee?

Mithu Sanyal: So, wie Adrienne Truscott das macht, halte ich es tatsächlich für eine gute Idee. Denn grundsätzlich ist es eines dieser Themen, die trotz allem nach wie vor stark tabuisiert sind. Wir reden selbst mit unseren Freundinnen und Freunden verhältnismäßig wenig da­rüber, etwa durch Social Media, aber dass über Vergewaltigung zu sprechen normal wäre, davon sind wir weit entfernt. Truscott rückt es mit ihrer Show mehr ins Mögliche hinein.

Sie bezieht sich in ihrer Performance auch auf Shows, die so etwas wie Rape-Kultur, also Vergewaltigungskultur, salonfähig machen ...

Sie nimmt Bezug auf eine ganze Galerie von Comedians, die Witze nicht direkt über Vergewaltigung reißen, aber doch klar erkennbar sich darüber lustig machen, dass jemand vergewaltigt wurde. Dann gibt es diese ganzen sogennanten Pick-up-Artists, die in ihrer eigenen Vorstellung die Superverführer sind und davon ihrem Publikum erzählen, wie sie auch Leute verführen, die das gar nicht wollen – was ja meine Definition von Vergewaltigung wäre. Worum es ihr aber geht, das ist: Erst einmal das Eis zu brechen. Und das macht sie sehr geschickt.

Wie?

Die Hälfte ihrer Show arbeitet sie ja daran, die Leute zum Mitlachen zu bewegen. Und wenn sie es nicht tun, bringt sie die noch einmal dazu, hält ihnen das Mikro vor die Nase: Jetzt müsst ihr aber. Wenn ihr nicht freiwillig lacht, warte ich so lange, bis ihr nicht mehr anders könnt!

Diese Arbeit an der Hemmschwelle ist interessant?

Es ist sehr spannend zu beobachten, dass wir anfangs eher peinlich berührt reagieren. Das Publikum weiß zunächst nicht: Dürfen wir jetzt lachen? Dürfen wir nicht?

Truscott setzt dafür sehr stark auf Text und direkte Ansprache – und das ist kein Schulenglisch, was sie da spricht: Wird das in Deutschland funktioniert?

Das ist eine gute Frage. Sie nutzt am Anfang natürlich auch ein paar gute Visual Jokes, etwa wenn sie ihre Jeans-Weste auszieht, und darunter eine neue Jeans-Weste zum Vorschein kommt ...

… oder die Perücke unter der Perücke unter der Perücke.

Ja, genau. Das gibt es schon. Aber klar: Was sie macht, ist Stand-up Comedy, die auf Text basiert. Und es geht um Inhalte. Und sie hat auch keine richtig einfache Stimme. Da muss man sich schon auch konzentrieren.

Sofern man das in dem Setting hinkriegt: Sie kommt, von der Hüfte an abwärts, nackt auf die Bühne. Sie zieht dann im Laufe der Show zwar ein Kleid in Knatschrosa an, …

„Asking for it – A One Lady Rape“: mit Adrienne Truscott, Sa, 17. 11., und So, 18. 11., 19 Uhr, Schwankhalle. Empfohlen ab 16 Jahren. Am Samstag anschließend Gespräch mit Mithu M. Sanyal

… das aber auch an der Vulva noch einmal geschlitzt ist.

Ja, genau, so ein Dreiecksschnitt vom Saum bis zum Nabel, der den Blick direkt auf die Vulva lenkt: Ist diese Drastik nötig?

Ich glaube, das ist ganz geschickt: Weil das optisch schon so drastisch ist, überschreitet das in deinem Gehirn die Schockgrenze – und du bist nur noch halb so geschockt vom Thema. Du hast dann gar nicht mehr genügend Energie, von dem auch noch geschockt zu sein. Interessant ist aber auch: Als Mann könnte sie das nicht machen, nicht in derselben Form. Mit einem als männlich identifizierten Körper könnte sie so nicht auftreten.

Warum?

Das hat viel damit zu tun, wie unsere Gesellschaft männliche und weibliche Körper codiert: Zwar darfst du männliche nackte Körper in Kunstkontexten zeigen, aber ansonsten greift bei ihnen – und nur bei ihnen – das Exhibitionismus-Gesetz. Nackte Frauen können nicht wegen Exhibitionismus angezeigt werden. Der weibliche nackte Körper wird hingegen nicht als Bedrohung empfunden, lange wurde Frauen ja eine eigene Sexualität abgesprochen. Das macht Truscotts Auftritt interessant. Denn sie geht auf diese Bühne und du denkst: Oh, die macht sich jetzt aber verletzlich.

Echt?! Ich habe gedacht, wow!, selten eine Frau auf einer Bühne gesehen, die weniger als Opfer aufgetreten wäre …

Da bin ich mir nicht sicher. Wahr ist: Sie ist nicht Opfer in dem Sinne, dass sie sich präsentieren würde. Das nicht, und darüber bin ich ehrlich gesagt erleichtert: Sie ist eine gut aussehende Frau, sie hat aber keinen normschönen Körper mit Model-Maßen, der im Zweifel auch noch chirurgisch so bearbeitet ist, dass er nackt aussieht, als wäre er angezogen. Du siehst sie nicht als Sex-Objekt. Truscott inszeniert sich aber dennoch als eine bestimmte Fucked-up-Weiblichkeit, leicht hysterisch, alkoholisiert: eine verletzte Weiblichkeit.

Was ist daran falsch?

Also ich habe sie nicht angeschaut und gedacht: Das ist eine Frau, die glücklich in ihrer Sexualität ist. Der Aspekt von Heilung ist nicht drin.

Mithu M. Sanyal, 47, promovierte Kulturwissenschaftlerin, zählt dank Büchern wie „Vulva“ (2009) und „Vergewaltigung“ (2016) zu den derzeit wichtigsten feministischen Stimmen in Deutschland.

Erreicht sie das nicht bereits durch die Komik?

Das ist mir ein sehr wichtiger Aspekt – und auch der, unter dem ich eingeladen worden bin: Als ich die Kulturgeschichte der Vergewaltigung geschrieben habe, war das den meisten Verlagen zu humorvoll, oder besser gesagt, denn es ist ja kein lustiges Buch, zu wenig pietätvoll. Das finde ich problematisch, denn das, worüber wir lachen, hat weniger Macht über uns. Darüber lachen, das ist genau, was Anne Truscott macht, und was sie sehr gut macht. Und sehr beeindruckend.

Aber?

Es gibt in der Performance sehr viel Spiegelvorhalten, sehr viel Revolte dagegen, sich zum Opfer machen zu lassen, aber wenn mir daran etwas fehlt, dann ist es die Transformation. Ich gehe da nicht raus mit einem empowerten Gefühl, sondern eher mit dem Gedanken: Die Welt ist ein ganz schön gefährlicher Ort, vor allem für Frauen. Vielleicht ist es zu viel, das von einer Performance zu verlangen, aber mir ist es wichtig, darüber hinauszukommen.

Deswegen gibt es ja am Sonntag das Gespräch!

Ja, genau, dafür bin ich da.

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